<p style=""><strong>Sie schlafen schlecht? Dann haben wir eine gute Nachricht: Neueste Erkenntnisse aus der Forschung zeigen, wie wir alle wieder besser schlafen. Das Beste: Es braucht dafür keine Tabletten</strong></p> <p style="">Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich mache das gerne für Sie. Aber jedes Mal, wenn ich für eine Schlafgeschichte recherchiere, schlafe ich schlecht. In der Nacht gehen mir dann sämtliche Schlaftipps durch den Kopf und ich wache immer wieder auf. Dr. Hans-Günter Weeß, Psychotherapeut und Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster, wundert das nicht: „Denk ich an Schlafen in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“, sagt er frei nach Heinrich Heine. „Wer seine Nachtruhe permanent optimieren möchte, schläft nicht mehr.“ Nach Erfahrung des „Schlafpapstes“ sind es am Ende fast immer zwei Dinge, die die Menschen wachhalten: „Die einen setzen sich unter Druck, weil sie nicht schlafen können. Sie haben Angst vor dem Schlafen. Die anderen bekommen belastende Gedanken nicht aus dem Kopf und bearbeiten nachts Probleme weiter.“</p> <p style="">Beides erhöht den Stresspegel – schlummern ist dann unmöglich. „Nur wenn wir gedanklich, emotional und körperlich entspannt sind, können wir schlafen. Wenn wir nur auf einer dieser drei Ebenen angespannt sind, kommen wir nachts nicht zur Ruhe.“ Erkenntnisse wie diese haben in der Schlafmedizin jüngst zu einem Umdenken geführt: „In den Leitlinien wird nun die ‚Kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie‘ als Mittel der Wahl gegen Schlafstörungen empfohlen, das Betroffene zuerst in Anspruch nehmen sollten“, sagt Schlafmedizinerin und Psychiaterin Prof. Kneginja Richter, die die Curamed Tagesklinik Nürnberg leitet und an der Technischen Hochschule Nürnberg zum Thema digitale Prävention von Schlafstörungen forscht.</p> <p style="">Eine solche Therapie ist heute schon per App (siehe S. 74), in Form eines zweitägigen Onlineseminars oder als vier- bis sechsstündige Kurztherapie möglich. Bei 90 Prozent der Patienten schlägt sie an. Im Gegensatz zu Schlafmedikamenten, die nur die Symptome beheben, behandelt diese psychologische Methode die Ursachen der Insomnie. „Die Menschen lernen, sich selbst zur Schlaftablette zu machen”, sagt Weeß. Wie das funktioniert? Die Betroffenen erfahren viel über das Thema Schlaf und darüber, wie sie ihre Unruhe auf verschiedenen Ebenen besiegen können.</p> <p style="">Das ist gar nicht so schwer! Hier ist Ihr Plan für ruhige Nächte, der auf den Inhalten der kognitiven Verhaltenstherapie beruht:</p> <p style=""><strong>1. Betreiben Sie Ursachenforschung</strong></p> <p style="">Oft ist die Erkenntnis, woher die Schlafstörung kommt, der erste Schritt zur Besserung. Hören Sie in sich hinein: Haben Sie Angst, nicht einschlafen zu können oder nachts häufig aufzuwachen? Setzen Sie sich unter Druck, damit Sie einschlafen können? Grübeln Sie im Bett? Haben Sie beim Liegen körperliche Schmerzen? War es zu hell oder zu laut im Schlafzimmer? Schlafen Sie schlechter, wenn Sie am Nachmittag Kaffee getrunken oder am Abend Alkohol getrunken haben? Anhand dieser Fragen lassen sich meist rasch die Stressfaktoren erkennen, die die Nachtruhe stören, und man kann etwas dagegen unternehmen. „Einem Teil meiner Patienten reicht schon die Erklärung, wie die Störung entstanden ist, um wieder gut schlafen zu können“, sagt Schlafexperte Weeß.</p> <p style=""><strong>2. Gehen Sie Ihre Schlafprobleme gelassen an</strong></p> <p style="">Um entspannter mit Schlafproblemen umgehen zu können, hilft ein realistischer Blick auf die Folgen: Was passiert wirklich, wenn man mal nicht genug schläft? Die Wahrheit: Die meisten Menschen kommen auch mit weniger Schlaf durch den Tag – wenn auch etwas erschöpfter. Nicht jeder muss acht Stunden schlafen, das Schlafbedürfnis ist individuell sehr verschieden – alles zwischen sechs und neun Stunden gilt als normal. Ob Sie ausreichend geschlummert haben, merken Sie am besten daran, wie Sie sich nach dem Aufstehen fühlen: Wenn Sie nach 45 Minuten wach und leistungsfähig sind, war Ihr Schlaf in aller Regel ausreichend.</p> <p style="">Im Übrigen schlafen die meisten oft viel länger, als sie glauben. Unser Gehirn registriert Schlafphasen nur dann als solche, wenn sie länger als zehn bis zwanzig Minuten anhalten. Wer öfter aufwacht, hat daher oft das Gefühl, überhaupt nicht geschlafen zu haben. Untersucht man diese Patienten dann aber im Schlaflabor, sieht man, dass sie meist immer noch auf fünf Stunden Schlaf kommen. Der Körper holt sich schon die Nachtruhe, die er braucht, darauf kann man sich verlassen. Sie ist für ihn überlebenswichtig.</p> <p style="">Noch ein Tipp: Ärgern Sie sich nicht, wenn Sie nachts wach werden. Es ist völlig normal, zehn bis 25-mal pro Nacht kurz aufzuwachen – die meisten bemerken es nur nicht. Um entspannter mit den Unterbrechungen umgehen zu können, sollten Sie einen häufigen Fehler vermeiden und dann nicht auf den Wecker schauen. „Verbannen Sie ihn aus dem Schlafzimmer“, rät die Nürnberger Schlafmedizinerin Kneginja Richter. Zeigt er mitten in der Nacht eine frühe Uhrzeit, steigt sofort die innere Unruhe – und mit dem Schlaf ist es vorbei. Zwar sind die ersten drei, vier Nächte ohne Wecker für viele noch ungewohnt, doch danach verbessert sich die Nachtruhe oft spürbar.</p> <p style="">Wenn diese Gedanken allein nicht ausreichen, um die Anspannung zu lösen, setzen Therapeutinnen und Therapeuten sogenannte „Innere-Kind“Übungen ein. Dabei geht es darum, die Angst vor dem Nichtschlafen-Können bewusst wahrzunehmen und anzunehmen – so, als würde man sein jüngeres Ich trösten, das gerade ängstlich und hilflos ist. Man stellt sich bildlich vor, wie man dieses innere Kind beruhigt, ihm zuhört und sagt: „Ich sehe deine Angst, und es ist okay, dass du sie hast.“ Diese innere Zuwendung nimmt der Angst oft die Wucht. „Indem man eine Furcht akzeptiert, verliert sie an Macht“, erklärt Weeß. Viele berichten, dass sich ihr Schlaf durch diese Übung überraschend schnell verbessert.</p> <p style=""><strong>3. Entspannen Sie Ihren Körper</strong></p> <p style="">Das ist vor allem nach einem langen Arbeitstag wichtig. Eine durch langes Sitzen oder Stehen verspannte Muskulatur kann einen erholsamen Schlaf verhindern. Ein gemütlicher Spaziergang, Ausdauersport am Nachmittag oder ein warmes Bad lockern dann den Körper. Eine ausgezeichnete Methode zur körperlichen Entspannung ist zudem die Progressive Muskelentspannung. Dabei werden nacheinander alle Muskeln des Körpers – vom Fuß bis zum Gesicht – angespannt, ein paar Sekunden gehalten und wieder losgelassen (Anleitungen gibt es auf YouTube). Ganz wichtig: „Betroffene sollten die Übung nie machen, um besser schlafen zu können, sondern nur, um zu entspannen”, sagt Hans Günther Weeß. „Sonst wird die Entspannung nicht wirken. Das krampfhafte Bemühen verhindert die Nachtruhe.“</p> <p style=""><strong>4. Beruhigen Sie den Geist</strong></p> <p style="">Neben der Angst, nicht schlafen zu können, ist das nächtliche Gedankenkreisen ein mächtiger Schlafräuber. Viele erstellen im Bett To-do-Listen für den nächsten Tag oder versuchen, Probleme zu lösen. „Das Bett ist aber nur zum Schlafen und für Sex da, sonst für nichts. Punkt“, sagt Kneginja Richter. „Um belastende Gedanken loszuwerden, sollten Betroffene zwei Stunden vor dem Schlafengehen aufschreiben, was ihnen Sorgen bereitet oder was am nächsten Tag ansteht.</p> <p style="">Diese Liste bleibt dann außerhalb des Schlafzimmers“, so Richter. Abschließend sollte man die Liste mit einem Satz abschließen, wofür man dankbar ist. Das lenkt die Gedanken in eine positive Richtung. Schlafexperte Weeß rät vor dem Einschlafen zu Fantasiereisen: „Wir müssen unser Gehirn mit den richtigen Dingen beschäftigen, damit es nachts nicht auf dumme Gedanken kommt.“ Denken Sie beispielsweise an Ihren Lieblingsspaziergang oder einen schönen Tag am Meer.</p> <p style="">Erleben Sie die Situation mit allen Sinnen: Spüren Sie den warmen Sand unter Ihren Füßen, riechen Sie die salzige Luft und betrachten Sie die Schiffe auf dem Meer genau. Eine solche Gedankenreise kann auch mitten in der Nacht das Einschlafen fördern. Dasselbe vermag die Atemtechnik 4-7-11: Man atmet vier Sekunden lang ein, hält die Luft kurz an und atmet dann sieben Sekunden lang aus. Diese Übung sollte man mindestens elf Minuten lang durchführen, was mitten in der Nacht jedoch selten gelingt, da man meist vorher einschläft. „Das lange Ausatmen ist wichtig, weil es unseren Vagusnerv aktiviert, der den ganzen Körper beruhigt“, erklärt Richter.</p> <p style="">Es kämpfen sich trotzdem immer wieder Grübelgedanken in Ihr Bewusstsein? Versprechen Sie sich dann selbst, dass Sie sich gleich morgen früh um das Problem kümmern. Nachts bringt Grübeln nämlich überhaupt nichts, da unser Gehirn in den späten Stunden nicht richtig arbeitet. Deshalb wirken nachts Probleme auch viel übermächtiger als am Tag. Wenn keine der Techniken hilft, rät die Expertin zum Aufstehen: „Tun Sie dann etwas Langweiliges wie Bügeln oder lesen Sie ein langweiliges Buch.“</p> <p style=""><strong>5. Fördern Sie den Schlaf</strong></p> <p style="">Wenn Sie Ihre innere Haltung und Einstellung zum Schlafen verbessern konnten, geht es an die richtigen Verhaltensweisen. Alleine durch eine gute Schlafhygiene schläft nämlich niemand besser, auch wenn das jahrelang gepredigt wurde. Das erkennt man alleine schon daran, dass ganz Deutschland – trotz Lärm und hellem Licht – ausgezeichnet vor dem Fernseher nickert. Das Fernsehen entspannt uns so sehr, dass die Störfaktoren am Ende egal sind. Mit dem richtigen Mindset können die folgenden Regeln dennoch den Schlaf verbessern:</p> <p style="">1. Regelmäßig zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen.</p> <p style="">2. Abends helles oder blaues Licht meiden, zum Beispiel vom Handy oder vom Badezimmerspiegel.</p> <p style="">3. Das Schlafzimmer ordentlich und gemütlich halten – und es wirklich nur zum Schlafen nutzen, nicht zum Arbeiten. Auch das Raumklima spielt eine Rolle: Die ideale Temperatur im Schlafzimmer liegt zwischen 16 und 20 Grad. Dann kann der Körper besser abkühlen, was für erholsamen Schlaf wichtig ist. Deshalb sollte man auch keine zu warme Bettdecke verwenden. „Bettsocken empfehle ich aber jedem. Sie verbesssern das Einschlafen“, sagt Weeß. Warme Füße weiten die Blutgefäße, der Körper kann besser abkühlen – und man schläft schneller ein.</p> <p style="">Auch die Ernährung kann einen guten Schlaf unterstützen. Schlafmedizinerin Richter rät, zwei Stunden vor dem Schlafengehen keine schweren Mahlzeiten mehr zu sich zu nehmen. Das Essen sollte zu zwei Dritteln aus Proteinen und zu einem Drittel aus Kohlenhydraten bestehen. Gut geeignet sind beispielsweise Vollkornbrot mit Ei, Avocado und Käse oder Joghurt. „Der Körper braucht das Tryptophan aus dem Eiweiß, um das Schlafhormon Melatonin herzustellen.“ Zu meiden sind Kaffee nach 16 Uhr und Alkohol, da letzterer den Schlaf erheblich stört. Von Melatoninpräparaten raten beide Experten bei Schlafstörungen hingegen ab. „Besser ist es, in der ersten Tageshälfte viel ans Tageslicht zu gehen. Das verbessert die Melatoninausschüttung in der Nacht“, sagt Richter</p> <p style=""><strong>6. Freuen Sie sich auf’s Bett</strong></p> <p style="">Dieser Tipp unserer Experten ist der beste überhaupt: Ärgern Sie sich nicht, dass Sie mitten in der Nacht wach geworden sind, sondern freuen Sie sich von Herzen, dass Sie weiter diesem herrlichen, kuschligen Bett liegen bleiben dürfen, ohne irgendetwas tun zu müssen. Ist doch egal, ob sie schlafen oder nicht. Mich hat das Befolgen dieses Rats am Ende immer wieder ruckzuck einschlafen lassen.</p> <p style=""><strong>7. Extra-Tipp für hartnäckige Fälle: Verkürzen Sie die Bettzeit</strong></p> <p style="">Wenn Patienten alles ausprobiert haben und immer noch unter Schlaflosigkeit leiden, greifen Therapeuten zu folgender Maßnahme: Sie verkürzen die Bettzeit. Patienten dürfen dann nur noch so viel Zeit im Bett verbringen, wie sie in den letzten sieben Tagen durchschnittlich geschlafen haben.</p> <p style="">Der Wecker klingelt dann beispielsweise nach fünf Stunden. „Dadurch entsteht ein Schlafdefizit. Abends spüren die Patienten dann einen solchen Schlafdruck, dass sie nur noch ins Bett fallen“, sagt Weeß. Wenn der Betroffene fünf Stunden geschlafen hat, wird die Schlafdauer Schritt für Schritt um jeweils eine halbe Stunde erhöht, bis sich der Patient ausgeschlafen fühlt. „Die Methode ist hocheffektiv, aber nicht für jeden geeignet“, sagt Weeß.</p> <p style="">Für Menschen, die am nächsten Tag lange Auto fahren oder Maschinen bedienen müssen, sowie für Menschen, die an einer bipolaren Depression oder Epilepsie leiden, ist sie nicht empfehlenswert.</p>