<p style=""><em>Prinzessin Alexia der Niederland spricht offen über mentale Belastungen: „Ich bin froh, dass psychische Probleme bei jungen Menschen nicht mehr als ‚gehört zum Älterwerden dazu‘ abgetan werden.“</em></p> <h2 id=""></h2> <h2 id="panik-und-phobien-plagen-heute-viele-menschen-krisen-kriege-amp-co-koennen-beaengstigend-wirkenunser-experte-erklaert-wie-man-mit-dem-impuls-der-furcht-gut-umgeht">Panik und Phobien plagen heute viele Menschen. Krisen, Kriege & Co. können beängstigend wirken.<br>Unser Experte erklärt, wie man mit dem Impuls der Furcht gut umgeht</h2> <p style="">Die Zukunft macht vielen Menschen Sorgen, denn eine Krise jagt die nächste – ob Klimawandel, Kriege oder wirtschaftliche Unsicherheit. <strong>Prof. Mazda Adli</strong> ist Chefarzt der Fliedner Klinik Berlin und forscht an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité. Wir haben mit dem Psychiater und Stressforscher über die Angst in Krisenzeiten gesprochen. Wer besonders betroffen ist, was die Angst eher schürt und wie man sie in den Griff bekommt, verrät er hier.</p> <p style=""><strong><em>Herr Professor Adli, gibt es heute mehr Angst als früher?</em></strong></p> <p style="">Mein Eindruck als Psychiater, aber auch als aufmerksamer Teil der Gesellschaft ist, dass die Menschen insgesamt ängstlicher werden. Das hat damit zu tun, dass viele das Gefühl haben, einer unvorhersehbaren Zukunft entgegenzugehen. Denn wir erleben gerade eine Verdichtung von Krisen. Manche sprechen von „Polykrise“: Klimawandel, Pandemien, Inflation, Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, gesellschaftliche Polarisie rung. Die psychischen Effekte dieser Krisen verstärken sich gegenseitig. Das führt dazu, dass – vor allem jüngere, aber auch ältere – Menschen sich stark verunsichert fühlen.</p> <figure> <a href="https://media.newsload.de/img/250915-nl~6oQ7XaAjM.webp" target="_blank" title="Bild anzeigen"> <img src="https://media.newsload.de/img/250915-nl~6oQ7XaAjM.webp?w=1920&h=1080&fit=inside&pfit=contain&sfit=contain&p=c" alt="" loading="lazy" /> </a> <figcaption> © Hubert Burda Media Holding Kommanditgesellschaft </figcaption> </figure> <p style=""><strong><em>Wie wirkt sich das aus?</em></strong></p> <p style="">Die Zuversicht nimmt ab, die emotionale Anspannung zu. Viele leben in einer Dauerstressschleife, in der sie ständig alarmiert sind. Als Psychiater merke ich in Gesprächen, dass es zahlrei chen Menschen aktuell schwerer fällt, selbstständig ein Zuver sichtsszenario zu entwerfen. Sie sehen vor allem beunruhigt in die Zukunft, manche erleben Symptome von Angst. Das heißt jetzt noch nicht, dass gleich eine Angststörung entstehen muss, aber da ist viel Anspannung und Unsicherheit.</p> <p style=""><strong><em>Welche gesellschaftlichen Folgen hat das?</em></strong></p> <p style="">Angst macht uns Menschen wachsamer, jedoch auch manipulierbarer. In einer verunsicherten Gesellschaft haben es populistische Akteure leichter, weil sie einfache Schwarz-Weiß-Antworten anbieten. Das kann zu mehr Polarisierung führen und sich zu einem Teufelskreis entwickeln: Die Unsicherheit wird politisch instrumentalisiert, was wiederum die Angst verstärkt. Wir werden zu einer ängstlichen Gesellschaft. Ich sehe aber auch immer mehr Menschen, die tatsächlich an manifesten Angstsymptomen leiden, wie Herzklopfen, Schwitzen oder einem mulmigen Gefühl im Bauch.</p> <p style=""><strong><em>Kann die Angst zu einer psychischen Krankheit werden?</em></strong></p> <p style="">Manche kommen aus den gedanklichen Sorgenschleifen nicht mehr heraus oder fangen an, über alles Mögliche zu grübeln: „Ich verliere meinen Job, ich verarme, ich kann meine Wohnung nicht mehr bezahlen, meinen Angehörigen könnte es schlecht gehen, meinem Haustier könnte was zustoßen.“ Die Angst breitet sich bis in kleinste Details aus, verselbstständigt sich, fühlt sich überwältigend an. Das sind dann schon Symptome einer generalisierten Angststörung, einer Erkrankung, bei der ärztliche oder therapeutische Hilfe sinnvoll ist. Vor allem wenn man merkt, dass der Alltag nicht mehr gut funktioniert. Von einer Angsterkrankung sprechen wir auch, wenn es wiederholt zu Panikattacken kommt oder man anfängt, alltägliche Situa tionen zu vermeiden, wie etwa das Haus zu verlassen.</p> <p style=""><strong><em>Was passiert eigentlich genau bei Angst im Körper?</em></strong></p> <p style="">Angst bereitet Körper und Geist auf Gefahr vor. Wir haben im Gehirn ein ganzes Netzwerk, das dann anspringt. Dazu gehört zum Beispiel die Amygdala, der Mandelkern, der blitzschnell Bedrohungshinweise aus der Umgebung wahrnimmt, verarbei tet und zur weiteren Bearbeitung an andere Hirnzentren schickt, was dann wiederum eine Reihe von körperlichen, psychischen und hormonellen Effekten hat. So werden die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Man atmet schneller und flacher, der Blutdruck steigt, die Verdauung wird gedrosselt. Man spannt die Muskeln an, insbesondere im SchulterNacken Bereich. Das ist evolutionär gesehen sinnvoll, damit man im Zweikampf kräftiger zupacken kann und so bessere Über lebenschancen hat. Außerdem gibt es eine ganze Menge Stoff wechselveränderungen: Der Blutzuckerspiegel steigt, das Im munsystem wird kurzfristig aktiviert, längerfristig aber geschwächt. Angst ist ein Alarmsystem, das die Evolution weise eingerichtet hat, um unser Überleben zu sichern.</p> <p style=""><strong><em>Angst ist also nicht per se schlecht?</em></strong></p> <p style="">Diejenigen unter unseren Urvorfahren, die angesichts einer lebensbedrohlichen Gefahr, etwa eines wilden Tiers, keine Angst empfanden, sind dann eher nicht unsere Vorfahren geworden – zum Glück. Angst gehört deshalb zum gesunden Leben dazu.</p> <p style=""><strong><em>Welche Rolle spielt denn heute die digitale Nachrichtenflut?</em></strong></p> <p style="">Eine große, denn wir leben in einer Welt der Berichterstattung, die alles in Echtzeit ins Haus liefert. Es werden uns im ständi gen BreakingNewsModus vor allem schlechte Nachrichten und vermeintlich alarmierende Meldungen serviert und wir halten uns immer bereit, diese zu empfangen. Das führt zu emotionaler Aktivierung und verstärkt die Ängstlichkeit und auch die düstere Sicht auf die Zukunft. Man hat das Gefühl, hier passieren laufend schlimme Dinge. Unser biologisches Stresssystem ist daueraktiv. Die neuronalen Netzwerke im Ge hirn, die Angst und Bedrohung verarbeiten, und das Stress hormonsystem werden nie ganz heruntergefahren.</p> <p style=""><strong><em>Also lieber keine Nachrichten mehr konsumieren?</em></strong></p> <p style="">Mein Rat ist, den Nachrichtenkonsum einzuschränken, wenn man merkt, dass er belastet. Möglichst keine PushMeldungen einschalten und nicht ständig in die Portale gucken. Nachrich ten dosieren, einmal am Tag, maximal vielleicht zweimal – morgens und abends. Das reicht, um gut informiert zu sein. Außerdem sollte man sich auf gute, moderierte Nachrichten quellen, also Qualitätsjournalismus, verlassen. Reißerische Quellen erreichen das Gegenteil.</p> <p style=""><strong><em>Warum sind manche Menschen anfälliger für Angst?</em></strong></p> <p style="">Das ist ein Zusammenspiel aus Genetik, Persönlichkeitseigenschaften, Lernerfahrungen, Umfeld. Manche haben von Geburt an ein empfindlicheres biologisches Alarmsystem. Wer in einem ängstlichen Elternhaus aufwächst, übernimmt oft diese Sicht weise. Soziale Einbindung wirkt da wie ein Schutzfaktor.</p> <p style=""><strong><em>Sind Frauen von Ängsten häufiger betroffen?</em></strong></p> <p style="">Statistisch gesehen, sind Frauen doppelt so häufig von Angst störungen betroffen wie Männer, besonders bei Phobien, etwa der Angst vor öffentlichen Räumen, der Agoraphobie. Bei der aktuellen allgemeinen gesellschaftlichen Grundangst, den pes simistischeren Zukunftsszenarien, die ja noch nicht krankhaft sind, sind die Geschlechterverhältnisse wahrscheinlich etwas ausgeglichener. Aber: Frauen sprechen häufiger darüber und finden so auch oft Unterstützung.</p> <p style=""><strong><em>Warum sind junge Menschen besonders ängstlich?</em></strong></p> <p style="">Wenn wir über dieses Gefühl der unsicheren Zukunft sprechen, die Angst, die ausgelöst ist durch globale Krisen, sind eindeutig die Jüngeren stärker betroffen. Jugendliche und junge Erwach sene können sich nicht so gut selbst beruhigen. Sie haben noch nicht die Resilienz entwickelt, die Menschen mit zunehmender Lebenserfahrung aufbauen. Ältere Menschen haben in der Regel schon Krisen überwunden, auf die sie zurückblicken können. Für die Klimaangst, die ja oft junge Menschen umtreibt, haben wir mittlerweile einen Fachbegriff: EcoDistress oder Solastalgie, also die Traurigkeit darüber, dass Natur oder Um welt zerstört werden. Darunter leiden häufig die Jungen. Das Gleiche gilt ebenso für andere Formen von Unsicherheit. So sind es vor allem junge Leute, die sich zum Beispiel in der Stadt keine Wohnung leisten können und dann Existenzangst spüren. Auch die Pandemie hat sie psychisch stärker getroffen als Ältere, obwohl sie körperlich im Durchschnitt weniger gefährdet waren.</p> <p style=""><strong><em>Was kann man selbst wirksam gegen Ängste tun?</em></strong></p> <p style="">Zunächst sollte man akzeptieren, dass nicht alles kontrollierbar ist. Es hilft, zu erkennen, was sich durch eigene Initiative ändern lässt, und dann aktiv zu werden: sich engagieren, in einer Gruppe mitarbeiten. Gemeinschaft stärkt enorm. Man kann sich im eigenen Alltag umweltbewusst verhalten oder sich mit anderen für Klimaschutz einsetzen. Erstens fühlt man sich dann nicht mehr so hilflos. Zweitens ist man psychisch widerstands fähiger, weil man in ein soziales Umfeld eingebunden ist. Wenn die Ängste so stark sind, dass sie Lebensqualität und Alltag beeinträchtigen, sollte man ärztliche oder therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Angst wird dann zum Problem, wenn sie zu stark wird, sich verselbstständigt oder auf Auslöser über greift, die eigentlich keine Angst verursachen sollten. Dann kann sie in eine Angststörung münden. Medikamente können unterstützen, aber das Wichtigste bleibt die Psychotherapie.</p> <p style=""><strong><em>Wann spricht man von einer generalisierten Angststörung?</em></strong></p> <p style="">Wenn Sorgen und Ängste fast täglich auftreten, sich auf viele Lebensbereiche beziehen und mindestens sechs Monate anhal ten. Typisch ist, dass Betroffene die Sorgen kaum kontrollieren können. Hinzu kommen körperliche Symptome wie innere Anspannung, Schlafstörungen, Herzklopfen, Konzentrationsprob leme. Die generalisierte Angststörung ist nicht selten. Sie betrifft zwei bis drei Prozent der Bevölkerung in einem Jahr.</p> <p style=""><strong><em>Wie wird dies behandelt?</em></strong></p> <p style="">Die erste Wahl ist Psychotherapie. In der kognitiven Verhaltens therapie lernen Betroffene, ihre Sorgen zu hinterfragen und neue Sichtweisen zu entwickeln. So gelingt es schrittweise, die allgegenwärtige Angst zu bewältigen. Reicht das nicht aus oder sind die Symptome sehr ausgeprägt, können moderne Anti depressiva die Behandlung unterstützen. Ergänzend arbeiten wir mit Entspannungstechniken, Achtsamkeit und Bewegung. An unserer Klinik gibt es etwa spezielle Sportgruppen. Angst ist gut behandelbar, man muss damit nicht allein bleiben.</p> <p style=""><strong><em>Wie unterscheidet sich eine Panikstörung davon?</em></strong></p> <p style="">Panikattacken entstehen, wenn das körpereigene Alarmsystem ohne reale Gefahr anspringt – eine Art Fehlalarm mit Herzrasen, Schwindel, Atemnot oder Todesangst. Wenn sich das öfter wiederholt, spricht man von einer Panikstörung. Eine große Rolle spielt hier die „Angst vor der Angst“: Betroffene fürchten die nächste Attacke und beginnen, bestimmte Situationen zu meiden, bei der sie eine erneute Panikattacke befürchten, zum Beispiel volle Bahnen oder enge Räume. Deshalb wird eine Panikstörung neben der kognitiven Verhaltenstherapie auch oft mit Expositionstherapie behandelt. Patienten stellen sich unter Anleitung Situationen, etwa einer UBahnFahrt. Mit jeder erfolgreichen Konfrontation sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer erneuten Panikattacke kommt.</p> <p style=""><strong><em>Was tun Sie selbst gegen die Angst?</em></strong></p> <p style="">Körper und Geist beruhigen: mit Sport, Spaziergängen, Atem übungen, Achtsamkeitstechniken oder gemeinsamem Singen. Das hilft bei mir, ich singe seit 25 Jahren in einem Chor, der nur aus Psychiatern, Psychologen und Neurologen besteht. Meine „Singing Shrinks“, also die singenden Seelenklempner, sind für mich das beste Mittel gegen Stress. Wenn man sich also auf irgendeine Weise engagiert, statt sich lähmen zu lassen oder ohnmächtig zu fühlen, wird die Angst zu einer positiven Kraft, die Veränderungen vorantreibt.</p>