<p style="">Wenn es um die MÄNNLICHE PSYCHE geht, herrscht oft noch Sprachlosigkeit. Dabei zeigen alarmierende Zahlen wie die Suizidrate, dass Männer in besonderer Weise gefährdet sind. Das ließe sich eindämmen. Wie wäre es, wenn jeder bei sich anfangen würde, sein persönliches BILD VON MÄNNLICHKEIT zu hinterfragen und somit den Blick von außen nach innen zu lenken. Auch Männer dürfen verletzlich sein, Hilfe suchen und sich für mehr Selbstfürsorge statt Selbstoptimierung entscheiden. Unser MENTAL HEALTH SPECIAL hilft dabei!</p> <p style=""><strong>Der Schönheits- und Fitnesswahn unter Männern nimmt rasant zu, Selbst- und Fremdwahrnehmung driften immer weiter auseinander, Selbstzweifel animieren zu harten Eingriffen. Das belegen zum einen Zahlen, zum anderen aber auch persönliche Erfahrungen. Zum Beispiel im Freundeskreis unseres Autors. Und der findet: Wir haben bei diesem Thema ganz dringend Rede- und Nachholbedarf.</strong></p> <p style="">Eine Aussage, die in meinem männlichen Freundes- und Bekanntenkreis seit geraumer Zeit wirklich besorgniserregend häufig fällt: Ich hab so krass zugenommen, ich muss echt was tun, weniger essen, mehr sporteln. Währenddessen wird sich dann gern am Bauch rumgezwickt, scheinbar das Kryptonit der Jungs. Die Aussage fällt von Männern, die erstens nicht ansatzweise adipös, zweitens objektiv gesehen ziemlich attraktiv und drittens richtig gute Typen sind. Solche, die die Lampen im Kopf anhaben, sich ihrer Privilegien bewusst sind, alles an den Tisch bringen, was man als Mann 2023 eben mitbringen sollte. Und trotzdem sind sie so zu sich, dass es mir selbst schon wehtut. Befinde ich mich einfach nur in einem körperfixierten Umfeld? Glaub ich nicht. Vielmehr scheinen wir ein massives Problem zu haben, das unter Frauen schon seit Ewigkeiten und jetzt auch unter Männern immer präsenter wird: unrealistische Schönheitsideale und eine verzerrte Selbstwahrnehmung. Zahlreiche Studien geben mir recht. Wir leben in einer Zeit, in der ein Ideal – auch unter Männern – zur Normalität geworden ist, das einfach für die allerwenigsten irgendwie erreichbar ist – und selbst wenn, nicht wirklich lange anhält.</p> <p style="">Irgendwann tritt bei uns allen der Alterungsprozess ein, außerdem gibt es da noch so was wie einen Job und ein Privatleben. Das Gesicht ist makellos, die Zähne gerade, Kopf- und Gesichtsbehaarung lückenlos, die Jawline wie gemeißelt. Die Schultern sind breit, die Arme muskulös, der Bauch flach und definiert, die Hüften schmal, die Beine athletisch. Zumindest sehen die Typen auf diversen Social- Media-Plattformen und in der Werbung irgendwie alle so oder so ähnlich aus. Da kann es ja kaum verwundern, dass laut der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen insbesondere Facelifts und minimalinvasive Eingriffe unter Männern stark zunehmen. Dazu zählen zum Beispiel Botox-Behandlungen. Und beides sind ganz häufig nur verzweifelte Versuche, den Alterungsprozess zu stoppen oder rückgängig zu machen, die vergangenen 20 Jahre, die man zu Recht gelebt hat, aus dem Gesicht zu radieren. Aber lassen Sie sich eines sagen: Ein 50-jähriger Typ, der sich komplett mit Botox hat vollpumpen lassen, sieht nicht plötzlich aus wie ein 30-jähriger Typ, sondern eben wie ein 50-jähriger Typ, der sich mit Botox hat vollpumpen lassen. Sorry not sorry. Weil aber nicht jeder das nötige Kleingeld hat, um zum Onkel Doc zu rennen, können ja zum Glück mithilfe von Filtern, Facetune und Photoshop jegliche Eingriffe im Internet simuliert werden: Augen größer, Augenbrauen höher, Kinn markanter, Haaransatz tiefer, Zähne heller, Lippen voller, Haut reiner – alles möglich, Grenzen gibt es keine. Maximal die 1,99 Euro monatlich für die Mitgliedschaft, um sich bis zur Unkenntlichkeit zu bearbeiten.</p> <p style=""></p> <p style="text-align: center; background-color: #ddedea;"><strong>Ein 50-jähriger Mann, der sich mit Botox vollpumpen lässt, sieht nicht plötzlich aus wie ein 30-Jähriger, sondern wie ein 50-Jähriger, der sich mit Botox hat vollpumpen lassen. Sorry not sorry.</strong></p> <p style=""></p> <p style="text-align: center; background-color: #ddedea;"><strong>Es muss klar sein, dass auch der selbstbewussteste Kerl die Dauerbeschallung mit optisch totretuschierten Körpern nicht unbeschadet übersteht.</strong></p> <p style=""></p> <p style="">Was beim Gesicht beginnt, hört aber nicht ab dem Hals runter auf, sondern geht weiter. Denn auch der Körper wird zur Optimierung freigegeben. Das aktuelle Schönheitsideal sieht aus wie ein umgedrehtes Dreieck und das erfordert einen energisch ausgearbeiteten und eisern ausgeführten Trainingsplan, genauso wie eine minutiöse Ernährung – und Überraschung, die beinhaltet halt keine Tiefkühlpizza, Schokolade und mal ein Gläschen Wein, sondern körnigen Frischkäse, Harzer Rolle, Protein-Shakes und diverse Supplements, die man in sich hineinstopft.</p> <p style="">Das alles wird dann noch präzise aufgezeichnet und dokumentiert, denn Smartwatches können mittlerweile alles tracken: Wie oft man sich am Tag bewegt hat, wie viel Wasser man getrunken und wie viele Kalorien man zu sich genommen hat, wie viele man wiederum verloren hat, wie lange man sich mal eine „Auszeit“ aka Schlaf gegönnt hat. Mit seinem smartwatchtragenden Umfeld kann man sich sogar connecten und sich gegenseitig motivieren oder – wie man es auch nennen könnte – sich in der Spirale des Selbstoptimierungswahns einfach gemeinsam nach unten bewegen.</p> <p style="">Ganz nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und somit wird eine Smartwatch nicht nur ein Endgerät, das den Alltag erleichtern soll, sondern auch ein Kontrollinstrument, verpackt als hippes Lifestyleprodukt, das man 24/7 am Handgelenk trägt und somit der feuchteste Traum eines jeden totalitären Staates ist. Wer keinen Bock hat, im Gym bis zum Kollaps zu pumpen, der kann auch einfach die Kreditkarte zücken und mit Spritzen oder elektromagnetischer Stimulation den Fettzellen den Kampf ansagen.</p> <p style="">Wer den entsprechenden Preis zahlt, wird (wenn alles gut läuft) mit einem definierten Sixpack belohnt. Was aber, wenn man Teil dieses Ideals sein will, aber nach dem Nine-to-five-Job weder Bock hat, jeden Abend ins Gym zu rennen, noch Tausende Euros für diverse Operationen ausgeben kann? Dann heißt es ganz häufig: Willkommen in der Essstörung, in die man häufig unterbewusst reinrutscht, aber nur sehr schwer wieder rausfindet.</p> <p style="">Eine Analyse der Kaufmännischen Krankenkasse ergab, dass von 2019 auf 2020 fast 19 Prozent mehr Männer zwischen 18 und 24 Jahren von einer Essstörung betroffen waren. Bei den 50- bis 59-Jährigen waren es 12 Prozent. Zum Vergleich: „Normal“ ist ein Anstieg von drei bis vier Prozent pro Jahr. Aber wen kann das wundern? Es muss klar sein, dass auch der selbstbewussteste Kerl die Dauerbeschallung von praktisch totretuschierten Typen mit nicht mehr messbarem Körperfettgehalt auf Social-Media-Plattformen und in der Werbung nicht unbeschadet übersteht.</p> <p style="">Indem wir tagtäglich mit diesen Schönheitsidealen konfrontiert werden, mit perfekt geformten Körpern und makellosen Gesichtern, glauben wir irgendwann, dass das der Standard ist. Vergessen dabei zunehmend, dass da ganz viel gefiltert, verzerrt, operiert und retuschiert wurde. Und darunter leiden die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewusstsein. In Norwegen hat man das zum Beispiel schon im Juni 2022 gecheckt und beschlossen, dass retuschierte Fotos, egal ob in Werbungen oder auf Social Media, als solche gekennzeichnet werden müssen. Kein schlechter Ansatz. Sich selbst mit Sport und gesunder Ernährung fit zu halten, super!</p> <p style="">Wir haben selbst bei Esquire letztes Jahr einen Sport-Guide geschrieben. Wenn das alles aber zum Zwang wird, man einem surrealen Schönheitsideal wie ein Sektenmitglied hinterherläuft und versucht, eine innere Unzufriedenheit und Leere zu kompensieren, spätestens dann wird’s problematisch. Und um genau das zu vermeiden, haben wir für Sie, die guten Typen, diesen Mental Health Guide erstellt. Viel Spaß beim Lesen und umsetzen!</p> <h2 id="gefuehle">Gefühle</h2> <p style="">Der Macker und der Waschlappen, die längste Zeit waren das die bestimmenden männlichen Archetypen. Obwohl sich das tradierte Bild von Männlichkeit verändert hat, fällt es vielen Männern nach wie vor schwer, über ihre Gefühle zu sprechen. Die Angst, doch irgendwie schwach zu wirken, sitzt tief. Ebenso die Scham: „Hat man nie gelernt, seine Gefühle zu verbalisieren, kann sich das anfühlen, als würde man sich komplett nackt machen, wenn man es versucht“, sagt der Psychologe Marcel Aygün, in den sozialen Medien bekannt als @Marcel_Moses. Seine Emotionen ständig zu unterdrücken, könne weitreichende Folgen haben: „Körperliche Auswirkungen können Schlafstörungen, Verdauungsprobleme und Bluthochdruck sein. Auf der psychischen Ebene kann es zu einer emotionalen Dysregulation kommen. Gute Gründe, sich intensiv mit seinen eigenen Emotionen zu beschäftigen.“</p> <p style=""><strong>Selbstreflexion</strong></p> <p style="">„Wichtig ist, dass die Motivation aus einem selbst kommt. Hat man es an diesen Punkt geschafft, kann man damit anfangen, seine Emotionen wertfrei zu beobachten“, so der Experte. Er rät, abends seine Gefühle aufzuschreiben, vor allem nach einem emotionalen Tag. Hilft, Ordnung ins Gefühlschaos zu bringen.</p> <p style=""><strong>Fühlen lernen</strong></p> <p style="">Wurden Sie schon einmal von einer Partnerin oder einem Partner gefragt, was in ihnen vorgeht, doch auf der Suche nach einer Antwort begegnete Ihnen nichts als Leere? Wer Probleme hat, Gefühle zu erkennen und zu benennen, kann laut Aygün einen Gefühlswortschatz aufbauen und so wie mit Vokabelkarten üben, Emotionen zuzuordnen.</p> <p style=""><strong>Sprechen üben</strong></p> <p style="">Denn: Wer nicht übt, wird nicht besser. So ist das mit den meisten Dingen im Leben. Macht man normalerweise alles mit sich allein aus, sollte man sich deshalb eine Person suchen, der man vertraut, so der Psychologe: „Es sollte jemand sein, bei dem man sich sicher fühlt. Ein Mensch, der einem einen Safe Space bietet.“ Wie mit den meisten Dingen im Leben ist auch hierbei aller Anfang schwer. Mit der Zeit wird der Cringe aber ziemlich sicher Erleichterung weichen.</p> <p style=""><strong>Selbstmitgefühl</strong></p> <p style="">„Man muss lernen, negative Gefühle auszuhalten, anzunehmen und nicht einfach umzulenken“, empfiehlt Psychologe Marcel Aygün. Denn jedes Gefühl habe seine Berechtigung. Das erfordere aber Empathie für sich selbst, um nachsichtig mit sich sein zu können. Es ist nicht egoistisch, sondern gesund, die eigenen Gefühle bewusst in den Vordergrund zu stellen.</p> <figure> <a href="https://media.newsload.de/img/250915-nl~PMH5Sp_Df.webp" target="_blank" title="Bild anzeigen"> <img src="https://media.newsload.de/img/250915-nl~PMH5Sp_Df.webp?w=1920&h=1080&fit=inside&pfit=contain&sfit=contain&p=c" alt="" loading="lazy" /> </a> <figcaption> © Hubert Burda Media Holding Kommanditgesellschaft </figcaption> </figure> <p style=""><strong>MÄNNLICHE WUT</strong></p> <p style="">Mein Leben lang habe ich um die Aggressionsprobleme von Männern herumgelebt. Habe ertragen müssen, wie sie Löcher in Wände und Türen schlagen, herumbrüllen oder mit Gegenständen schmeißen. Wann immer ein Mann in meiner Gegenwart einen Wutausbruch hat, erstarre ich und bekomme Herzrasen. Das, was viele Männer als „nur mal kurz Luft machen“ bezeichnen, kann vor allem auf Frauen bedrohlich und manchmal sogar retraumatisierend wirken. Denn jede dritte Frau in Deutschland wird in ihrem Leben mindestens einmal Opfer physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Es ist nicht in Ordnung, seine Wut unkontrolliert an anderen auszulassen, egal wie viel Frustration oder Hilflosigkeit man empfinden mag. Es gibt andere Wege, mit seiner Wut umzugehen. Wege, die einem langfristig dabei helfen, besser zu sich selbst zu sein – und zu seinem Umfeld.</p> <p style=""></p> <p style="text-align: center; background-color: #fbf3db;"><strong>ANZEICHEN, DASS MAN HILFE BRAUCHT</strong></p> <p style="text-align: center; background-color: #fbf3db;">Sozialer Rückzug bei längerer Isolation kann ein Hinweis darauf sein, dass etwas nicht stimmt. Schlafstörungen sind eine häufige Begleiterscheinung von Depressionen, die mit nächtlichen Angstzuständen einhergehen können. Erhöhter Alkohol- und Substanzenkonsum sind ein Anzeichen für seelisches Leiden. Suizidgedanken sollten immer ernst genommen werden.</p> <p style=""></p> <h2 id="depressionen">Depressionen</h2> <p style=""><strong>Sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht, ist nicht leicht. Yannik (34) hat jahrelang allein gegen seine Depressionen gekämpft, bis sein Leben akut in Gefahr war.</strong></p> <p style="">„Ich hatte bereits einen Plan. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich es tun, wie ich mein Leben beenden würde. Lebensmüde war ich in der Vergangenheit immer wieder, aber dieses Mal war es anders. Da ich schon mehrere Jahre wegen chronischer Depressionen in psychoanalytischer Therapie war, war mir klar, dass ich das nicht allein schaffen würde. Also bin ich einen Schritt gegangen, den ich früher aus Scham nicht gegangen wäre, und habe mich selbst in eine Klinik eingewiesen. 2012 gab mir meine damalige Hausärztin zum ersten Mal die Diagnose mittelschwere Depression. Ich konnte nicht schlafen, war ständig erschöpft und hatte Gedächtnisprobleme. Das ging so weit, dass ich nicht mehr in der Lage war, meinem Job vernünftig nachzugehen. All das habe ich versucht mit Alkohol zu kompensieren. Bis zu dem Zeitpunkt dachte ich, dass das Leben einfach scheiße ist. Jetzt wusste ich, ich habe Depressionen. Doch dass ich ernsthaft krank war, habe ich größtenteils verdrängt, obwohl der Leidensdruck phasenweise extrem hoch war. Um zu funktionieren, habe ich mir deshalb Antidepressiva verschreiben lassen. So habe ich sieben Jahre gelebt. Erst durch meine Ex-Partnerin habe ich verstanden, dass es okay ist, sich Hilfe zu suchen. Für mich stand allerdings fest, dass ich mir die nur in Form einer Frau suchen würde. Mit einem Mann über meine Probleme sprechen? Auf gar keinen Fall. Aber natürlich kam es genau so und dafür bin ich rückwirkend dankbar. So war ich gezwungen, mich meinem Bild von Männlichkeit zu stellen, das mein Leben lang Beziehungen zu anderen Männern, doch vor allem die Beziehung zu mir selbst geprägt hat: Ich wollte mir Stärke beweisen und mir einreden, dass ich alles allein schaffe. Hätte ich daran festgehalten, wäre ich vermutlich nicht mehr hier. Durch die Therapie und den Klinikaufenthalt habe ich gelernt, Mitgefühl mit mir selbst zu haben. Außerdem habe ich unfassbar viel Liebe und Unterstützung durch Freundinnen erfahren, die für mich vor allem in den vergangenen Monaten da waren, ohne mich zu verurteilen. Das war ein verdammt langer und schwieriger Weg. Umso stolzer bin ich, dass ich durchgehalten habe. Denn jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich weiß, dass ich das Werkzeug habe, künftige Krisen bewältigen zu können. Die Depressionen werden immer Teil meines Lebens sein, das habe ich gelernt zu akzeptieren. Ich habe aber auch akzeptiert, dass es okay ist Hilfe zu brauchen.</p> <p style=""></p> <p style="text-align: center; background-color: #fbf3db;"><strong>SO HOLT MAN SICH HILFE</strong></p> <p style="text-align: center; background-color: #fbf3db;">Wenn man selbst längst weiß, dass was nicht stimmt, wird es aber erst real, sobald man sich jemandem öffnet. Neben Angst und Scham kann sich ein Gefühl der Panik einstellen. Wer den Weg zum Hausarzt/der Hausärztin (noch) nicht wagt, um beispielsweise eine Überweisung an einen Psychiater:in oder Therapeutin zu bekommen, kann sich jederzeit an das Krisentelefon der „TelefonSeelsorge“ wenden. Hier kann man anonym über das Belastende sprechen.</p> <p style=""></p> <h2 id="staerke-und-schwaeche">Stärke und Schwäche</h2> <p style=""><strong>Frauen leben im Durchschnitt fünf Jahre länger als Männer. Der Grund liegt nicht nur am Geschlecht. Autor und HeForShe-Botschafter Fikri Anıl Altıntaş erklärt, was sich ändern muss.</strong></p> <p style=""><strong>Es gibt das Klischee vom Mann, der nie zum Arzt geht. Wie viel ist da dran?</strong> Männer nehmen Gesundheit tatsächlich weniger ernst und achten insgesamt weniger auf ihren Körper sowie ihr seelisches Wohlbefinden. Das geht schon im Jugendalter los, da kümmert sich die Mutter als Care-Takerin um die Termine bei Ärztinnen. Später übernimmt das oft die Partnerin. Männer lernen demnach nicht, fürsorglich mit sich zu sein. Gleichzeitig wird ihnen vermittelt, dass sie Probleme mit sich allein ausmachen müssen. Das führt irgendwann zu inneren und äußeren Verletzungen.</p> <p style=""><strong>Oft geht es bei Männern auch um die Abgrenzung von Stärke und Schwäche. Wie beeinflusst das ihre Gesundheit?</strong> Für Männer ist Gesundheit meist dann interessant, wenn sie sich auf eine körperliche Optimierung bezieht. Eine optische Gesundheit nach außen nimmt einen großen Stellenwert ein, sprich, muskulös zu sein, stark zu sein, messbare Erfolge zu verbuchen. Gleichzeitig spielt die ganzheitliche Gesundheitsförderung eine untergeordnete Rolle.</p> <p style=""><strong>Die Vorstellung von Stärke macht Männer also krank? </strong>Ja, das kann man so sagen. Das sieht man gut am Umgang mit mentalen Erkrankungen. Viele Männer suchen erst Hilfe, wenn es fast schon zu spät ist. Schwäche zu zeigen ist nicht vereinbar mit dem klassischen Rollenverständnis von Männlichkeit, weil es einen Ansehens- und Autonomieverlust bedeuten würde. Die Angst, in der eigenen Männlichkeit verneint zu werden, überwiegt. Es gibt einen Gender Health Gap, der eine mangelnde Gesundheitsversorgung bei Frauen beschreibt. Greift der auch bei Männern? Natürlich ist auch medizinisches Personal nicht frei von problematischen Rollenvorstellungen, deshalb werden beispielsweise mentale Erkrankungen bei Männern seltener erkannt. Es braucht beides: bedarfsgerechte Gesundheitsangebote für Männer und die Einsicht, dass Männer sich für ihre Gesundheit mehr in die Pflicht nehmen müssen.</p> <h2 id="essstoerungen">Essstörungen</h2> <p style=""><em>Auch Männer sind betroffen</em></p> <p style="">Die tägliche Konfrontation mit unrealistischen Schönheitsidealen und nach außen hin perfekt wirkendem Leben befeuert Unsicherheiten. Dabei bietet Fitness-Content in Form von Trainingsvideos und beliebten „What I eat in a day“-Clips einen besonders niedrigschwelligen Einstieg in eine Essstörung oder eine Verhaltensstörung wie eine Muskelsucht. Unter dem Deckmantel eines vermeintlich gesunden Lifestyles trainieren Betroffene viele Stunden am Tag in Kombination mit einem extrem restriktiven Diätplan, der Fettmasse reduzieren und Muskeln aufbauen soll. Ein Zwang, der in eine Magersucht führen kann. Besonders problematisch ist, dass Essstörungen bei Männern nur selten oder erst sehr spät diagnostiziert werden. Dabei ist der Krankheitsverlauf derselbe wie bei Frauen und endet nicht selten im Tod. Denn Menschen mit Magersucht haben ein mehr als fünffach höheres Risiko zu sterben als Gleichaltrige. Eine lebensbedrohliche Realität, die sehr viel mehr Aufmerksamkeit und Aufklärung nötig hat</p> <h2 id="people-pleaser">People Pleaser</h2> <p style=""><em>You are enough!</em></p> <p style="">Angst vor Ablehnung, ein übersteigerter Wunsch nach Anerkennung sowie ein starkes Harmoniebedürfnis können Auslöser für People Pleasing sein. Das ist der Drang, sich verantwortlich zu fühlen und somit dafür zu sorgen, dass es anderen gut geht. Oft mussten People Pleaser schon in der Kindheit das Fehlverhalten und die emotionale Instabilität von Bezugspersonen ausgleichen, wodurch der Glaube, dass sie für das Wohlbefinden ihres Umfelds verantwortlich sind, tief in ihnen verankert ist. People Pleasing ist keine psychische Erkrankung, sondern mehr ein erlerntes Fehlverhalten, trotzdem kann es Betroffene belasten. Schließlich übergehen sie immer wieder ihre eigenen Bedürfnisse und verstellen sich, aus Angst vor Ablehnung. Ihr Glück ist abhängig vom Glück anderer. Keine wirklich gute Grundlage für ein zufriedenes und erfülltes Leben. Wer dagegenarbeiten möchte, sollte sich daher immer wieder vor Augen führen, dass man andere nicht retten muss und auch nicht kann. Dabei ist die Angst, Menschen zu verlieren, relativ unbegründet. Natürlich kann es sein, dass vermeintliche Freund*innen einem den Rücken kehren, wenn man sich nicht mehr für sie krummmacht, doch das ist dann ungefähr so, als würde sich der Müll von allein raustragen. Menschen, denen man wirklich etwas bedeutet, bleiben auch dann, wenn man sich an erste Stelle rückt.</p> <h2 id="schnelle-hilfe">Schnelle Hilfe</h2> <p style=""><strong>Jede*r hat mal einen miesen Tag oder auch einen schlechten Monat. Das kann dann helfen:</strong></p> <p style="">Im Selbstmitleid baden – Man muss nicht alles in sich hineinfressen. Anzuerkennen, dass gerade alles kacke läuft, kann total heilsam sein. Benjamin von Stuckrad-Barre empfiehlt, sich immer dazu zu sagen: „Bisschen lustig ist es aber auch.“ Bewegung – Ein pragmatischer Weg aus einem emotionalen Loch ist Sport. Funktioniert fast immer. Machen, worauf man Bock hat – Belohnen sollte man sich nicht nur nach Erfolgen. Auch nach einer Niederlage darf man sich gönnen.</p> <h2 id="supplements">Supplements</h2> <p style=""><em>Für ein bisschen Support</em></p> <p style="">Bei Supplements denken viele an Proteinpulver, das nach Styropor mit VanilleFlavour schmeckt. Oder an Kreatin, um auszusehen wie Hulk himself. Es gibt aber auch Supplements, die gut für den Kopf und die mentale Gesundheit sind. Dazu gehört zum Beispiel 5-HTP. Klingt nach einem neuen Underground-Club in Berlin, ist aber die Aminosäure 5-Hydroxytryptophan, die als Vorstufe von Serotonin gilt. Serotonin ist der Neurotransmitter in unserem Körper, der dafür verantwortlich ist, unsere Stimmung, unseren Schlaf und unseren Appetit zu regeln. In Tabletten gepresst (zum Beispiel von Sunday Natural), kann 5-HTP den Serotoninspiegel im Körper erhöhen. So wird nicht nur unsere Stimmung angeregt, sondern auch unser Schlaf verbessert. Falls Sie aber merken, dass es sich um mehr als nur eine temporäre schlechte Laune handelt, könnte mehr dahinterstecken. Dann bitte Fachpersonal aufsuchen.</p> <h2 id="selbstliebe">Selbstliebe</h2> <p style=""><em>Alles gar nicht so einfach</em></p> <p style="">Die Vorstellung, sich bedingungslos selbst zu lieben, ist zwar ein schönes Konzept, für viele Menschen jedoch absolut illusorisch. Vor allem dann, wenn man tagein, tagaus gegen seine inneren Dämonen kämpft. Gegenvorschlag für ein realistischeres Ziel: irgendwann seine guten und seine hässlichen Seiten akzeptieren lernen, um auch in herausfordernden Zeiten an seinem Selbstwert festhalten zu können. Das wäre doch schon mal was.</p> <h2 id="aufpassen">Aufpassen</h2> <p style=""><em>Auf einer Skala von 1 bis 10, wie super ist es heute?</em></p> <p style="">Wie oft hat man den Impuls, auf die Frage, wie geht es dir, mit „gut“ zu antworten? Dabei ist das nach offiziellen Zahlen nicht immer der Fall: Drei von vier Suiziden werden von Männern begangen. Etwas scheint also nicht gut zu sein. Es ist in Ordnung, das zuzugeben – vor sich selbst und anderen. Das Wichtigste: Holen Sie sich Hilfe!</p>