<h2 id="sie-sind-unvermeidbar-oft-erfreulich-und-manchmal-auch-be-aengstigend-veraenderungen-wie-sie-mit-staendigem-wandel-umgeht-erzaehlt-topmanagerin-tina-mueller-im-interview">Sie sind unvermeidbar, oft erfreulich und manchmal auch be ängstigend: Veränderungen. Wie sie mit ständigem Wandel umgeht, erzählt Topmanagerin Tina Müller im Interview.</h2> <p style=""></p> <p style=""><strong>Sie waren Managerin bei Opel, Douglas, jetzt bei Weleda: Was würden Sie denn sagen, ist der rote Faden, der sich durch diese Stationen zieht?</strong></p> <p style="">Dass ich immer wieder die Herausforderung gesucht habe, etwas in die Hände zu nehmen und Veränderungen dort anzugehen, wo noch richtig etwas zu tun war.</p> <p style=""><strong>Sind Sie ein mutiger Mensch?</strong></p> <p style="">Ja. Nicht im Extremsport-Sinn. Aber im beruflichen denke ich schon, dass ich in der Lage bin, große Entscheidungen zu treffen, vielleicht auch mutige Entscheidungen, die das Geschäftsmodell stark verändern.</p> <p style=""><strong>Und warum können Sie das? Sind Sie so erzogen worden?</strong></p> <p style="">Ich weiß nicht, ob das Erziehung ist, ich glaube eher, dass das etwas ist, das sich über den Karriereweg ausgeprägt hat. Ich komme ursprünglich aus dem Marketing, da geht es darum, Marken weiterzuentwickeln. Ein Spruch, der mich begleitet hat, ist: „Wenn eine Marke nicht mit der Zeit geht, geht sie mit der Zeit.“ An Wendepunkten sollte man 50 Prozent neu machen und 50 Prozent erhalten, die große Frage ist natürlich, was neu machen und wann. Und in manchen Situationen reicht selbst das nicht, da muss noch stärker verändert werden.</p> <p style=""></p> <p style="background-color: #eae4f2;"><strong>Tina Müller<br></strong>ist eine der bekanntesten Managerinnen Deutschland und bekannt für ihren Mut zu Veränderungen und Transformation. Inzwischen leitet sie den Naturkosmetikhersteller Weleda und ist überzeugt, dass es auch in der Wirtschaft ein gesundes Wachstum mit Verantwortung für die Umwelt geben kann.</p> <p style=""></p> <p style=""><strong>Gab es auch Veränderungen, die sie nicht tragen wollten, aber mussten?</strong></p> <p style="">Ja, in dem Moment, wo Restrukturierungsprogramme kommen und Stellen abgebaut werden müssen, wird es immer schwer. Deswegen versuche ich, woanders anzusetzen. Ich finde, in der deutschen Wirtschaft haben wir zu viel Fokus auf Kosteneinsparungen und zu wenig auf Innovation und Wachstum. Für Sparprogramme wird zu viel Energie verschwendet, anstatt zu überlegen: Wie kommen wir ins Wachstum, damit wir die Stellen erhalten können? Man sollte im Top Management die meiste Zeit dafür verwenden, zu schauen, wo sind Chancen mehr Umsatz zu machen, dann kann ich auch die Fixkosten tragen.</p> <p style=""><strong>Können Sie sich vorstellen, dass es Menschen gibt, die bloß keine Veränderung wollen?</strong></p> <p style="">Ja, na klar. Das ist auch ihr gutes Recht, das muss man respektieren. Dann kommt es drauf an, auf welchen Positionen diese Mitarbeitenden sitzen. Wenn die Position Veränderungswille erfordert, ist es vielleicht nicht die richtige Position, aber es gibt ja auch durchaus andere Tätigkeiten. Und wenn es gar kein guter Match mehr ist, ist es manchmal auch besser, wenn man getrennte Wege geht, für beide übrigens, sonst ist ständig Stress im System. Da muss man die Konsequenzen auch ziehen und das macht natürlich nicht immer beliebt. Man muss als Führungskraft auch Situationen aushalten können, in denen man nicht gemocht wird.</p> <p style=""><strong>Hat sich Ihr Führungsstil im Lauf der Zeit verändert?</strong></p> <p style="">Klar, die Führungsstile haben sich generell verändert. Als ich angefangen habe, war es noch autoritär von oben nach unten. Jetzt würde ich sagen, es ist eher ein Coaching von oben und ganz viel Impuls von unten. Das heißt aber nicht, dass die Jungen gar keine Führung mehr wollen. Sie möchten klare Ansagen und Entscheidungen! Wenn Sie heute Befragungen in Unternehmen durchführen, dann kommen zwei Themen: 1. Die Entscheidungen werden nicht schnell genug gefällt, und 2. Es wird immer nur der kleinste gemeinsame Nenner gesucht, wir würden uns wünschen, mutiger nach vorne zu gehen. Deswegen heißt Führung heute: wertschätzender, respektvoller, partizipativer führen, aber es entbindet nicht davon, klare Entscheidungen zu treffen und die auch zu kommunizieren.</p> <p style=""><strong>Wie vermeiden Sie, dass Sie „da oben“ gar nichts von den Nöten der Mitarbeiter mitbekommen?</strong></p> <p style="">Ich gehe ganz bewusst durchs Unternehmen, lade in meine Meetings immer alle Hierarchieebenen ein. Sie müssen sich als Geschäftsleitung dafür Zeit nehmen, mit allen zu sprechen und nicht nur in ihrem Büro zu sitzen. Sie brauchen ein Ohr im Unternehmen!</p> <p style=""><strong>Wie schlafen Sie vor Veränderungen?</strong></p> <p style="">Wenn es große Veränderungen sind, die mit Menschen zu tun haben, schlafe ich nicht gut, das macht sicher keine Führungskraft. Auch Topmanagerinnen haben Emotionen, sind Menschen, leiden. Die tun das aber vielleicht nicht vor der Organisation, und das finde ich auch richtig. Wir sind dazu da, Optimismus auszustrahlen und das Unternehmen nach vorne zu bringen und, wenn es nötig ist, eben auch stark zu verändern. Wenn wir unsicher sind, wie soll denn dann die Organisation daran glauben, dass wir das schaffen? Ja, ich finde, es ist unsere Pflicht, die Zuversicht auszustrahlen, dass das, wofür man hier die Weichen stellt, auch funktionieren wird.</p> <p style=""><strong>Was machen Sie in so einer Nacht?</strong></p> <p style="">Meistens mach ich dann das Licht wieder an und lese oder höre einen Podcast und schlafe darüber ein. Meistens. Und vom Podcast oder Buch weiß ich dann gar nichts mehr! Das Thema Schlaf ist ein tricky Thema, deswegen ist es so wichtig, das ganzheitlich zu sehen. Man ist nicht nur Körper, man ist Seele. Und dann gibt es ja noch den berühmten dritten Part, den Geist und das drücken wir häufig weg und irgendwann machts Peng.</p> <p style=""><strong>Wie schaffen Sie für sich eine Balance im Leben? Was gibt Ihnen Stabilität bei allen Veränderungen?</strong></p> <p style="">Einen privaten, konstanten Rhythmus zu haben und Dinge zu tun, die die Batterien wieder aufladen. Ich bin eine große Gärtnerin. Da ich in der Stadt wohne, gärtnere ich auf der Dachterrasse, aber das in allen Dimensionen: Da sind sehr viele Kästen und noch viel mehr Töpfe und zahlreiche Wasseranschlüsse. Ich bin gerne draußen in der Natur, ich grabe selber, pflanze ein, sehe was wachsen und ernte. Und je älter ich werde, desto fantastischer finde ich diesen Rhythmus, wenn im Frühjahr plötzlich das erste Grün kommt, die Pflanzen wachsen und dann in die volle Pracht gehen. Und dass man dann die Himbeeren ernten kann, die Pflaumen, die Äpfel! So lade ich meine Batterien auf, ganz alleine, das ist mein meditativer Moment. Ansonsten sind natürlich die Partnerschaft und die langjährigen Freundschaften wichtig, wo man sich nicht mehr erklären muss. Da bin ich einfach Tina.</p> <p style=""><strong>Wenn sie eine Sache ändern könnten was Frauen und Gesundheit angeht, was wäre das?</strong></p> <p style="">Also erstmal glaube ich, dass in unserem Gesundheitssystem wichtig wäre, anzuerkennen, dass Frauen nicht gleich Männer sind. Gerade durch die hormonellen Zustände bei Frauen wirken Medikamente ganz anders. Da müsste viel mehr investiert werden, denn die ganzen Studien berücksichtigen das nicht. Daneben glaube ich, dass bei Frauen die größte Challenge die Doppelt- und Dreifachbelastung ist, womöglich mit Kindern, Partnerschaft, Karriere und Carearbeit. Meine Mutter ist 90, sie lebt in einer sehr schönen Seniorenresidenz und ich investiere gerne die Zeit, um mich zu kümmern und habe noch viel Hilfestellung, die ich in Anspruch nehmen kann. Aber oftmals kommen Frauen am Ende total zu kurz und das geht natürlich auf die Gesundheit, immer auf Kosten ihres eigenen Körpers. Das ist ein schwieriger Konflikt, aus dem man nicht rauskommt, man kann ja nicht sagen, ich mach das einfach nicht mehr.</p> <p style=""><strong>Wie können wir Frauen das lösen?</strong></p> <p style="">Da habe ich ehrlich gesagt auch kein Geheimrezept. Aber es gibt zwei Bausteine, die wir berücksichtigen sollten, das eine ist die Ernährung und das andere ist die Bewegung. Wenn sie keine Zeit haben, sich zu bewegen und Sport zu machen, ist wichtig, dass man sich wenigstens gut ernährt. Wenn man beides nicht hinbekommt, dann hat das schon, glaube ich, die größte Konsequenz. Und dann kommt das Mentale noch dazu, da gibt es zum Glück immer mehr digitale Hilfestellungen in Richtung Coaching und Mental Health.</p> <p style=""><strong>Wie gehen Sie mit Ihrem persönlichen altersbedingten Veränderungen um?</strong></p> <p style="">Ich tue etwas dagegen und das gebe ich auch ehrlich zu, ich habe natürlich auch ein hohes Interesse an meiner eigenen Longevity, wie es so schön heißt. Es geht mir gar nicht darum, das höchste Alter zu erreichen, sondern die Jahre gut zu verbringen, beweglich zu bleiben, auch im Kopf. Ziel ist, lange fit zu bleiben. Das ist nichts anderes, als wahrscheinlich Millionen andere auch versuchen. Ich achte bei der Ernährung vor allen Dingen darauf, nicht viel Zucker zu essen, das ist das Wichtigste. Aber in Stressmomenten greift man auch mal zur Schokolade. Und ich versuche mehr Gemüse zu essen und weniger zu sitzen. In meinem Beruf gehe ich leider von einer Sitzkonferenz zur nächsten, am Wochenende versuche ich aber, meine Schritte zu marschieren, das fällt mir nicht schwer. Auch wenn ich in den Urlaub fahre, versuche ich mich fit zu halten, Yogakurse zu machen. Und ich versuche, zufrieden zu sein.</p> <p style=""><strong>Mussten Sie sich auch verändern, um diesen Job heute machen zu können?</strong></p> <p style="">Na klar. Bei mir kam der Wunsch nach Sinnhaftigkeit erst im Laufe der Karriere. Ich bin ja in den Neunzigern eingestiegen, da ging es darum, gut Geld zu verdienen, Karriere zu machen. Große Marken, große Firmen. Ich finde es wichtig, dass wir heute mehr nach dem Purpose fragen. Danach, was wir eigentlich verändert haben, wenn wir mal 40 Jahre gearbeitet haben. Und dass erkannt worden ist, dass, wenn wir so weiter wirtschaften, wir das auf Kosten der Umwelt, der Natur und der Tiere und ja des Menschen machen. Wirtschaftliches Wachstum ist wichtig, aber eben nicht auf alle Kosten. Was jetzt wichtig ist, ist Wachstum mit Verantwortung.</p> <p style=""><strong>Wo sehen Sie da die größten Bremsen?</strong></p> <p style="">In meiner neuen Rolle bei Weleda bezieht sich die Verantwortung vor allem auf die Einheit mit der Natur. Bei Naturkosmetik ist es ja so – die Pflanzen müssen erst einmal angebaut werden. Wenn Sie einmal dahinter schauen, merken Sie schnell: Die Böden werden über die Art, wie konventionelle Landwirtschaft betrieben wird, immer mehr ausgelaugt, vergiftet und überdüngt. Mir hat neulich jemand gesagt, der Klimaschutz wird bestimmen, wie wir leben, Biodiversität wird bestimmen, ob wir noch leben! Puh! Wir müssen also wieder anders Agrarwirtschaft betreiben, Richtung biodynamisch oder wenigstens bio. Wir bauen bei Weleda unsere Heilpflanzen regenerativ an, wir bewahren also nicht nur den Status quo, sondern verbessern damit die Qualität der Böden wieder. Und das nenne ich Verantwortung.</p> <p style=""><strong>Landwirte sagen, mit Bio könne man nicht die ganze Menschheit ernähren …</strong></p> <p style="">Ja, das ist die Frage. Versucht hat es noch keiner! Die Frage ist ja, wie stellen wir die Weichen, dass wir immer stärker in diese Richtung kommen? Wie verändert sich der Kosmetikmarkt? Die junge Generation greift viel früher zu pflegender Kosmetik und probieren viel mehr aus. Was aus meiner Sicht gefährlich ist, wenn sie etwa schon mit 14 die Haut mit Retinol behandeln, leidet die Hautbarriere. Da braucht es mehr Aufklärung.</p> <p style=""><strong>Was ist ihr wichtigster Beautytipp?</strong></p> <p style="">Eine gute natürliche Hautpflege, tagsüber zum Beispiel mit mineralischem UV Filter, ist mit das Beste was man machen kann. Eine gute Ernährung und Durchfeuchtung der Haut sowie Sonnenschutz sind die Hauptfaktoren. Und ganz wichtig: jede Haut ist anders! Dazu eine gute Haarpflege, um die Haarfülle zu erhalten. Haarausfall kann sehr belastend sein. Produkte mit Rosmarin und Mauerpfeffer zeigen in wissenschaftlichen Studien starke positive Wirkung auf die Haargesundheit.</p> <p style=""><strong>Was halten Sie von operativen Eingriffen, um Veränderungen aufzuhalten?</strong></p> <p style="">Ich respektiere, wenn man sagt, ich injiziere ein bisschen was, um die Haut jung zu halten. Ich bin aber kein Fan davon, wenn das sehr künstlich aussieht oder die Lippen plötzlich doppelt so viel Volumen haben. Gerade das Thema Lippe ist komplett out of Order. Ich denke, das ist eine Sucht, man sieht es selbst nicht mehr. Ich frage mich aber auch: Warum geht die beste Freundin nicht hin und sagt, das sieht nicht mehr schön aus! Vielleicht wäre sie ja dankbar dafür.</p>