<h2 id="selbstzweifel-und-aengste-sind-meist-keine-guten-ratgeber-bestsellerautorin-annahita-esmailzadeh-hat-sich-viel-damit-beschaeftigt-wie-wir-sie-endlich-loswerden-im-interview-gibt-sie-einblicke-in-ihren-persoenlichen-weg">Selbstzweifel und Ängste sind meist keine guten Ratgeber. Bestsellerautorin <em>Annahita Esmailzadeh</em> hat sich viel damit beschäftigt, wie wir sie endlich loswerden. Im Interview gibt sie Einblicke in ihren persönlichen Weg</h2> <p style=""><strong>Du bist eine der bekanntesten Business-Influencerinnen Deutschlands, Managerin bei Microsoft, Buchautorin, Speakerin und Podcasterin. Du scheinst nie Pause zu machen, was treibt dich an?</strong></p> <p style="">Mein innerer Antreiber ist sehr stark meine soziale Herkunft. Ich bin in München als einziges Kind iranischer Einwanderer aufgewachsen. Wir waren nicht arm, aber wir mussten schon zusehen, wie wir über die Runden kommen, und meine Eltern wollten, so wie es bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte oft ist, dass ich es mal viel besser habe als sie. Ich wusste immer: Wenn ich falle, falle ich hart. Ich habe kein familiäres finanzielles Polster, das mich auffangen wird. Im Gegenteil: Ich sehe mich sogar eher in der Verantwortung, meine Eltern im Alter abzufedern. Dieses Bewusstsein, dass ich – wenn’s hart auf hart kommt – auf mich selbst angewiesen bin, hat mich immer wieder aufstehen lassen.</p> <p style=""><strong>Wieder aufstehen musstest du auch, als dein Haus letztes Jahr der Flutkatastrophe in Bayern zum Opfer fiel. Wie war das für dich?</strong></p> <p style="">Zunächst einmal ist es mir wichtig klarzustellen, dass es anderen da noch viel schlechter ging als mir. Ich hatte zum Glück eine Versicherung, die große Teile abgedeckt hat, und bin mir bewusst, dass ich inzwischen zur sehr gut verdienenden Schicht der Gesellschaft gehöre. Aber ich bin dennoch auf hohen Kosten sitzen geblieben und subjektiv war es fürchterlich, weil ich dieses Haus alleine gekauft habe und keine Rücklagen mehr hatte. Und das sind Kosten, die kann man sich nicht vorstellen, die werden immer höher und höher und du hast sie irgendwann nicht mehr unter Kontrolle.</p> <p style=""></p> <p style="background-color: #eae4f2;"><strong>Annahita Esmailzadeh (33)</strong> <br>ist Managerin bei Microsoft, Bestseller-Autorin und gefragte Speakerin. Sie ist eine der führenden HR-Influencer und wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt von der Capital-Redaktion als eine der 40 größten Talente und Vordenkerinnen Deutschlands</p> <p style=""></p> <p style=""><strong>Was hilft dir in so einer schwierigen Situation?</strong></p> <p style="">Zwei Dinge: Zum einen meine Resilienz. Ich mache mir meine Selbstwirksamkeit bewusst und dass ich schon oft eigenständig schwierige Situationen gemeistert habe. Und zum zweiten mein engster Kreis an Vertrauten. Meine wunderbare Kollegin und Freundin Michaela, die als Managementvertretung für mich einsprang und sagte, „Hey Anna, ich bin da, kümmere du dich jetzt mal darum, dass du alles wieder hinkriegst, und ich erledige alles andere und informiere dich, wenn du was wissen musst.“ Oder meine Freundinnen, die nicht nur im Haus mitangepackt haben, sondern mich auch immer wieder daran erinnert haben, dass das eine Phase ist, eine superschwierige, aber eine Phase, die ein Ende haben wird.</p> <p style=""><strong>Bist du gut darin, zu erkennen, wer echte Freunde sind?</strong></p> <p style="">Ich bin sehr selektiv darin, wen ich nah an mich heranlasse. Und wenn ich merke, dass mir jemand nicht guttut, halte ich konsequent Abstand.</p> <p style=""><strong>Wenn es darum geht, Krisen zu meistern, schreibst du in deinem Buch vom Growth Mindset. Könntest du das einmal erklären?</strong></p> <p style="">Das ist die innere Haltung, dass wir, selbst wenn wir Dinge noch nicht gut können, in sie hineinwachsen können und uns nicht von Fehlern limitieren lassen sollten. Dass wir nicht denken, jetzt bin ich gestolpert und hingefallen, ich laufe nie wieder! Hätten wir so als Kinder gedacht, dann hätten wir nie laufen oder sprechen oder Fahrrad fahren gelernt! Growth Mindset bedeutet, herausfordernde Phasen als Wachstumschancen zu begreifen.</p> <p style=""><strong>Das ist nicht einfach – über eine Peinlichkeit hinwegzusehen und sie als Chance zu begreifen. Hast du ein Beispiel, wann dir das gelungen ist?</strong></p> <p style="">Ja, bei meinem ersten Vortrag vor großen Publikum zum Beispiel. Der war wirklich schlecht. Danach wollte ich am liebsten nie wieder eine Bühne betreten. Das Gefühl kennt sicher jeder von Meetings: Man hat mal etwas Dummes gesagt und wirft sich das noch Stunden später unter der Dusche vor und denkt, Boah, war das dumm! Aber die Wahrheit ist, von all den Personen, die da sitzen, ob im Meeting oder im Publikum, nimmt wahrscheinlich kaum jemand die Situation so schlimm wahr wie du selbst. Die meisten haben das nach zwei Minuten schon wieder vergessen, denn wir Menschen sind viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Mir war immer klar, mein erster Vortrag, mein erster Podcast, mein erster Linkedin-Post wird schlecht sein. Doch der erste unbeholfene Schritt ist nicht nur der schwerste, er ist auch der Wichtigste. Ihn zu wagen, erfordert, sich unserer Angst zu stellen. Doch er ist notwendig für unser Wachstum. Auf dieser Basis bin auch ich immer besser geworden, aber es war ein sehr, sehr langer Weg. Man muss sich vor Augen führen, dass jeder Mensch, der jetzt auf seinem Gebiet super gut ist, dieses Level nicht schon immer hatte.</p> <p style=""><strong>In welche Richtung möchtest du dich jetzt noch weiterentwickeln?</strong></p> <p style="">Mir ist es wichtig, einen Mehrwert zu stiften und einen Unterschied zu machen. Und das können wir alle tun, auch im Kleinen: Es reicht manchmal schon, wenn wir eine Person an der Bushaltestelle freundlich anlächeln. Vielleicht hat diese Person an dem Tag ein Vorstellungsgespräch und wird allein wegen dieses kleinen Moments besser performen und den Job bekommen. Grundsätzlich sollten wir alle niemals den Einfluss unterschätzen, den wir haben. Wenn uns Dinge nicht gefallen, gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch, sollten wir selber versuchen, etwas zu verändern, statt nur über sie zu meckern! Und damit können wir langfristig einen wesentlichen Unterschied machen und den Status quo verändern. Ich denke gerne groß.</p> <p style=""><strong>„Ich denke gerne groß“ ist eine ganz schön mutige Aussage. Hast du keine Sorge, dass dir Arroganz vorgeworfen wird?</strong></p> <p style="">Ach, egal wie ich mich verhalte, ich werde sowieso in Schubladen gesteckt, das habe ich schon früh gemerkt. Wenn ich mich jetzt hier kleinmachen würde, würde es heißen, „Die ist doch total unauthentisch“. So ist es bei uns Frauen – wir sind zu laut, zu leise, wir sind zu geschminkt, wir lassen uns gehen, ... wir können es nur falsch machen. Deswegen denke ich mir persönlich, ich bin einfach, wie ich bin, und die Leute, die ich damit anziehe, sind die Leute, die zu mir passen.</p> <p style=""><strong>Gibt es positive Affirmationen, die du nutzt?</strong></p> <p style="">Was ich mir wirklich oft sage, ist: „Ich bin angstfrei.“, denn Angst ist ein sehr schlechter Ratgeber. Unser größter Gegner sitzt häufig in unserem eigenen Kopf. Wir sabotieren uns häufig selbst mit limitierenden Glaubenssätzen, die uns einreden, wir wären noch nicht so weit, weshalb wir dann tolle Gelegenheiten und Chancen verstreichen lassen. Die gute Nachricht ist aber: Diese negativen Glaubenssätze kann man gut mit Übungen in positive Affirmationen umkehren. (Wie das geht, zeigen wir mit dem Workbook auf den nächsten Seiten).</p> <p style=""><strong>Und was können wir tun, wenn die Angst überhandnimmt? Wenn wir aus Angst etwa keine Veränderung wagen?</strong></p> <p style="">Erst mal im Kleinen anfangen. Wenn man etwa in einer toxischen Beziehung feststeckt und riesige Angst vor Veränderung hat, dann macht es keinen Sinn, dass man eines Morgens aufsteht und den Partner in die Wüste schickt. Denn dann ist die Gefahr viel zu groß,rückfällig zu werden. Ich würde damit anfangen, dass ich das Vertrauen in mich selbst stärke. Und dann, wenn man ein gewisses Level an Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein erreicht hat, kommt Veränderungsbereitschaft und der Wille Dinge durchzuziehen, ganz von selbst.</p> <p style=""><strong>Du bist eine sehr erfolgreiche, kluge und lustige Frau. Und eine sehr schöne! Glaubst du, dir hat dein gutes Aussehen bei der Karriere geholfen?</strong></p> <p style="">Also das Pretty Privileg ist ein Fakt, das habe ich in meinem letzten Buch untersucht: Attraktive Menschen werden nachweislich schon als Säuglinge von ihren Müttern, aber auch später von Dozenten oder Führungskräften besser behandelt. Doch Studien zeigen auch: Je attraktiver eine Person ist, desto mehr wird sie mit stereotypisch geschlechtsbezogenen Eigenschaften assoziiert. So werden weibliche Führungskräfte in der Tech Domäne häufiger mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie nur in der Position sind, weil sie schön sind und nicht, weil sie kompetent sind. Ich würde also sagen, dass mir mein Aussehen natürlich initial Türen geöffnet hat, aber mir auch sehr viele Dinge erschwert hat.</p> <p style=""><strong>Welche Werte haben deine Eltern dir mitgegeben?</strong></p> <p style="">Ich war ein sehr selbstbewusstes Kind. Nie unhöflich oder respektlos, das verbietet sich in der persischen Erziehung, aber ich habe Dinge hinterfragt und meine eigene Meinung sehr vokal geäußert und dafür Stress mit Lehrkräften bekommen. Meine Mama, die ständig in die Schule zitiert wurde, hat dann zu mir gesagt, „Weißt du, Menschen, die Rückgrat haben in unserer Gesellschaft, werden immer anecken. Aber wenn du für deine Werte einstehst und dafür Gegenwind bekommst, dann ist das okay so.“ Und das ist das Stärkste, das sie mir mitgegeben hat, das merke ich gerade in diesen Zeiten. Ich finde es sehr wichtig, dass Menschen den Mut finden, für ihre Werte und Prinzipien einzustehen. Dass sie nicht der Versuchung erliegen, einfachen Botschaften und Populismus zu verfallen, sondern dagegenzuhalten.</p>