<p style="">Tracken Sie auch schon? Ich tracke seit zwei Jahren und lerne eine Menge dabei, über meinen Körper und mich. Ein „Tracker“ ist ein Fährtenleser, ein Spürhund – und das sind auch die „Wearables“ (schon wieder eine englische Vokabel, aber wir lernen ja gerne), also die Uhren, Armbänder, Ringe, die wir tragen, um dem Zustand unserer Gesundheit auf die Spur zu kommen.</p> <p style=""><strong>Informationen</strong>. Ich tracke nun also mit einem sensorbestückten Ring, den ich am Zeigefinger trage. Dort soll er am besten lesen können, wie es aussieht in mir. Die vielen Daten sendet er freundlicherweise auf mein Handy, wo ich jeden Tag mein Inneres per Kurven, Zahlen und Diagrammen offengelegt bekomme: Wie gut war mein Schlaf, mein Puls, die Sauerstoffsättigung in meinem Blut? Da ist noch einiges mehr zu tracken, und mich interessiert besonders ein Wert mit dem Kürzel HFV.</p> <p style=""><strong>H</strong>erz<strong>F</strong>requenz<strong>V</strong>ariabilität. Ein Stressmesser soll das sein, las ich da vor zwei Jahren und fragte meine hervorragende Kardiologin. „Das ist noch nicht abschließend erforscht. Können Sie vernachlässigen“, war ihre Antwort. Hm, dachte ich. Dann frage ich vielleicht doch noch einen Spezialisten, nämlich Olaf Hoos, Professor für Sportbiologie und Funktionsdiagnostiker. Der ist ganz anderer Meinung. Seit Jahren wird an der HFV geforscht, es gibt Tausende Studien dazu, und dennoch ist für viele Ärzte die HFV eine Herausforderung. Denn hier wird ein größeres Ganzes gemessen, das im Medizinstudium zu wenig Thema war: Der Einfluss unseres autonomen Nervensystems auf unser Herz und damit auf Puls und Blutdruck.</p> <p style="color: #ad1a72;"><strong>Die gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung</strong></p> <p style="">Mit anderen Worten gesagt: Die HFV zeigt, wie gut die beiden Gegenspieler Sympathikus und Parasympathikus in uns zusammenwirken, die unseren Körper ganz autonom auf Anspannung oder Entspannung regulieren, mit Herzschlag, Atmung, Durchblutung und vielem mehr. Dominiert da etwa einer von den beiden? Bin ich auf Daueranspannung programmiert – oder hänge ich im Entspannungsmodus herum? Genau das spiegelt die Herzfrequenzvariabilität.</p> <p style="">Was heißt das nun genau? Wir tauchen ein in die Welt der Millisekunden. Wenn Sie entspannt im Sessel sitzen und dann aufstehen, reagiert Ihr Herzschlag, ein ganz klein wenig? Bei dem einen pocht er hoch-„elastisch“, beim anderen tut sich gar nichts, weil dessen Herz immer exakt im gleichen Takt weiterschlägt wie ein Sekundenzeiger. Um mehr als 200 Millisekunden kann sich der Herzschlag spontan ändern. Dann ist die HFV hoch. Und wenn der Herzschlag immer gleich (schnell) bleibt, dann ist die HVF niedrig. Also zeigt ein niedriger Wert, ob jemand in Daueranspannung lebt – und ein hoher Wert, ob der Körper das schöne Schaukeln lebt, ausbalanciert ist zwischen Entspannung und Anspannung.</p> <p style=""><strong>Ausgangswert</strong>. Das heißt: Die HFV ist ein Anzeiger von chronischem Stress. Je niedriger der Wert, desto größer der Stress. Wo liegt denn nun der kritische Wert? Prof. Hoos mag kein striktes „gut“ oder „schlecht“. Erst mal sollte man wissen, dass Frauen meist niedrigere Werte haben als Männer, Kinder und Jugendliche liegen besonders hoch – und bei Älteren sinkt der Wert, weil im Alter oft der Sympathikus, also der Anspannungs-Treiber, dominiert. Außerdem gibt es unterschiedliche Typen. Manche haben von Natur aus einen niedrigeren, andere einen höheren Ausgangswert.</p> <p style="">Hilfreich ist zu überprüfen, wie sich die HFV verändert – in stressigen und in ruhigen Phasen, bei Krankheit … und beim Älterwerden. Das sagt durchaus etwas aus über die Gesundheit, besonders die Herzgesundheit. Wer dauerhaft sehr niedrig liegt, der hat ein höheres Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung – und damit für einen früheren Tod. Also ist es sinnvoll hinzuschauen – auf die eigene HFV. Und wenn sie sehr niedrig ist, kann man dann etwas tun, damit sie ansteigt, in Richtung Herzgesundheit?</p> <p style=""><strong>Maßnahmen</strong>. „Oh ja“, sagt Prof. Hoos. Wir können den beruhigenden Teil unserer automatischen Regelung beeinflussen, auf sanfte Weise. Mit bewusster Atmung zum Beispiel. Tief einatmen durch die Nase – und ganz langsam durch den Mund aus. Das aktiviert unseren Parasympathikus. Wir können ihn durch gesunde Ernährung beglücken – und auch durch regelmäßige Bewegung. Und mental mit Stress umgehen zu lernen, ist geradezu „parasympathisch“!</p> <p style="">Also: Tracken macht Sinn. Wenn Sie dann auch Ihre Schlüsse daraus ziehen – und Ihr Leben verändern! Gaaaanz entspannt.</p> <hr /> <p style="color: #ad1a72; background-color: #ebeced;"><strong>Nina Ruge</strong></p> <p style="background-color: #ebeced;">Die Moderatorin, Autorin („Der Verjüngungs-Plan“, GU) und My Life-Kolumnistin über gesundes Altern und Longevity: „Es ist nie zu früh und nie zu spät!“</p>