<h2 id="zumindest-anders-als-maenner-sagt-die-expertin-fuer-seelische-frauengesundheit-prof-stephanie-krueger-hier-erklaert-sie-woher-die-unterschiede-kommen-und-welche-auswirkungen-das-auf-unsere-mentale-gesundheit-hat">... zumindest anders als Männer, sagt die Expertin für seelische Frauengesundheit, Prof. Stephanie Krüger. Hier erklärt sie, woher die Unterschiede kommen und welche Auswirkungen das auf unsere mentale Gesundheit hat</h2> <p style=""><strong>Frau Prof. Krüger, man kann es nicht leugnen: Männer sind einfach anders als Frauen. Wann haben Sie das letzte Mal gedacht, „das ist jetzt aber mal wieder typisch Mann“?</strong></p> <p style="">Ach, das denke ich eigentlich jeden Tag. Das sind jetzt Klischees, aber sie treffen eben doch zu. Wenn ich zum Beispiel abends nach Hause komme, nach einem wirklich langen Arbeitstag, sitzt mein Mann seelenruhig im Wohnzimmer und fragt, was es denn zu essen gibt.</p> <p style=""><strong>Und dann?</strong></p> <p style="">Ich gucke in den Kühlschrank, fange an rumzuwirbeln und frage mich, warum ich das jetzt eigentlich mache.</p> <p style=""><strong>Woher kommen die Unterschiede in den Köpfen von Mann und Frau?</strong></p> <p style="">Das hat viele Gründe – angefangen bei der Evolution. Während die Männer zu Urzeiten auf der Jagd waren, saßen die Frauen monatelang in der Höhle und haben sich um die Kinder gekümmert. Sie haben sich viel unterhalten und mussten sich um alles kümmern.Bis heute versuchen wir Frauen immer, alles auf die Reihe zu kriegen. Ohne dieses Multitasking würde unser Universum nicht funktionieren. Männer haben diese Fähigkeit viel weniger ausgebildet: Wenn sie sich zu einem Pläuschchen zusammengesetzt hätten, wären sie vom Säbelzahntiger gefressen worden. Sie mussten sich nur auf diese Sache fokussieren: Essen ranschaffen und nicht gefressen werden.</p> <p style=""></p> <p style=""><strong>Unsere Expertin: Prof. Stephanie Krüger</strong></p> <figure> <a href="https://media.newsload.de/img/250917-nl~tVJZAWhyD.webp" target="_blank" title="Bild anzeigen"> <img src="https://media.newsload.de/img/250917-nl~tVJZAWhyD.webp?w=1920&h=1080&fit=inside&pfit=contain&sfit=contain&p=c" alt="" loading="lazy" /> </a> <figcaption> © Privat </figcaption> </figure> <p style="">Die Psychiaterin ist Leiterin des Departments Seelische Gesundheit und den Zentren für Seelische Frauengesundheit an den Vivantes Kliniken Humboldt und Spandau. Sie setzt sich seit Jahren für die psychische Gesundheit von Frauen ein</p> <p style=""></p> <p style=""><strong>Dann kommt noch die Erziehung dazu.</strong> <strong>Wie stark prägt sie unsere Rolle?</strong></p> <p style="">Sie prägt unser Verhalten definitiv. Und trotz aller moderner Bestrebungen gibt es immer noch Unterschiede in der Erziehung. Mädchen werden immer noch dazu angehalten, lieb zu sein, viel zu leisten und sich selbst zu hinterfragen. Das führt dazu, dass viele erwachsene Frauen denken, nicht gut genug zu sein. Jungs werden dagegen immer noch, oft unbewusst, zu „kleinen Paschas“ erzogen. Auch ich habe meinen zwei Jungs alles hinterhergetragen. Das muss ich leider gestehen.</p> <p style=""><strong>Unterscheidet sich ein Männergehirn von dem einer Frau auch anatomisch?</strong></p> <p style="">Ja, Männerhirne sind anders verschaltet. Die meisten Männer haben mehr Muskeln als Frauen. Die Areale, in denen sie gesteuert werden, aber auch die Hirnbereiche für Geschicklichkeit und räumliches Denken, sind bei Männern intensiver vernetzt. Frauen haben dagegen dichtere Vernetzungen in den Bereichen Gesichtserkennung, Kommunikation und Interaktion. Das alles sagt aber nichts über die Intelligenz von Frauen und Männern aus, wie man früher dachte. Es ist kompletter Blödsinn, dass Männer aufgrund ihres etwas schwereren Gehirns schlauer seien als Frauen.</p> <p style=""><strong>Reagiert das Gehirn auch unterschiedlich auf Belastungen? Was stresst Frauen besonders?</strong></p> <p style="">Das kann man nicht so allgemein beantworten. Stress wird immer sehr subjektiv empfunden, die eine belasten private Probleme mehr, die andere, wenn es auf der Arbeit Ärger gibt. Stress entsteht auch nicht nur, wenn etwas zu viel wird. Ich habe häufiger als man denkt Frauen in Elternzeit in der Therapie, die vorher berufstätig waren und sich plötzlich unterfordert fühlen. Auch das kann stressen und seelische Probleme verursachen.</p> <p style=""><strong>Und was überfordert Männer?</strong></p> <p style="">In unserer Sprechstunde sehen wir immer wieder, dass Männer das Multitasking stresst. Wie gesagt, dafür sind sie von ihrer Biologie und ihrem Wesen her nicht gemacht. Männer geraten auch schnell unter Druck, wenn ihre Leistung nicht anerkannt wird. In stressigen Phasen arbeiten sie dann noch mehr oder laufen am Abend gleich zehn Kilometer, um zu beweisen, dass sie die Besten sind. Männer sind stärker als Frauen von Lob abhängig. Und Männer überlasten schnell, weil sie häufig über ihr Limit gehen.</p> <p style=""><strong>Dann müsste man mit einem gezielten Lob bei Männern ja so einiges erreichen können ...</strong></p> <p style="">Ein Lob kann angespannte Situationen auf jeden Fall ausgezeichnet entspannen. Langfristig wäre es aber gesünder, wenn sich Männer weniger abhängig von äußeren Beurteilungen machen würden. Sie sollten mehr in sich hineinhorchen, dazu stehen, wenn sie gestresst sind und einen Gang herunterfahren. Das können Frauen in der Regel besser. Sie sind allerdings oft zu selbstkritisch, wenn sie nicht alles unter einen Hut bekommen. Das erhöht langfristig das Risiko für Depressionen oder Panikattacken.</p> <p style=""><strong>Stimmt es, dass Frauen doppelt so häufig Depressionen bekommen wie Männer?</strong></p> <p style="">Nein, das ist ein Mythos. Mit der Ausnahme von Essstörungen, an denen tatsächlich mehr Frauen leiden, erkranken beide Geschlechter gleich häufig an den verschiedenen psychischen Krankheiten. Die ungleichen Zahlen kommen daher, da Frauen mit psychischen Problemen häufiger zum Arzt gehen und eher darüber sprechen. Wenn Männer genauso häufig den Arzt mit psychischen Problemen aufsuchen würden wie Frauen, wären die Geschlechterverhältnisse ausgeglichen. Männer wissen oft selbst nicht, dass eine Depression die Ursache ihrer Beschwerden ist.</p> <p style=""><strong>Wie kann das sein?</strong></p> <p style="">Eine Depression bringen wir immer mit bestimmten Gefühlen in Verbindung, man ist traurig, fühlt sich innerlich leer und empfindet keine Freude. Diese Kriterien treffen auch auf die weibliche Depression zu, die klassischen Männersymptome sind es nicht. Depressive Männer machen von allem mehr, sie essen mehr, trinken mehr, werden gereizter, unleidlicher oder aggressiver. Manche ziehen sich auch sozial zurück, sitzen nur noch am Computer und kommunizieren nicht mehr. Selbst Ärzte übersehen bei Männern Depressionen häufiger.</p> <p style=""><strong>Da müssten die Frauen dann im Vorteil sein ...</strong></p> <p style="">Das sollte man meinen. Tatsache ist aber, dass Ärzte bei Frauen körperliche Beschwerden zu schnell auf die Psyche, auf ihren angeblichen Stress oder auf Ängste schieben. Das hat zur Folge, dass beispielsweise Herzerkrankungen bei Frauen viel häufiger übersehen werden. Gerade auch Schmerzen werden bei Frauen schnell in die psychosomatische Ecke geschoben und nicht weiter abgeklärt. Zu mir in die Psychiatrie kam erst vor Kurzem eine sehr aufgeräumte Frau, die noch nie psychisch erkrankt war, weil sie starke Schmerzen hatte. Ich habe dann einen Ultraschall des Bauchs veranlasst und es wurde ein geplatzter Blinddarm diagnostiziert. Mich hat gewundert, dass die Frau immer noch aufrecht gegangen ist; so reißen sich die Frauen zusammen. Bei mir in der Psychiatrie war sie aber natürlich definitiv falsch. Ich könnte Ihnen noch einige solcher Beispiele erzählen.</p> <p style=""><strong>Was ist, wenn tatsächlich eine Depression vorliegt? Brauchen Frauen eine andere Behandlung als Männer?</strong></p> <p style="">Sie brauchen eine niedrigere Dosierung der Medikamente. Sie hilft genauso gut, minimiert aber Nebenwirkungen. Unter Psychopharmaka entwickeln Frauen sonst schneller Herzrhythmusstörungen, weil sie ein empfindlicheres Herz-Kreislaufsystem haben. Und auch Nebenwirkungen wie übermäßiges Schwitzen oder eine Gewichtszunahme kann man durch eine angepasste Dosis minimieren. Leider wird das in der ärztlichen Praxis noch viel zu wenig beachtet. Wir haben das Problem, dass sich die Dosierungsempfehlungen immer noch am Männerkörper orientieren. Viele Medikamente sind nur an Männern getestet. Frauen werden in Studien oft ausgeschlossen, weil sie im Studienzeitraum schwanger werden könnten. Man möchte nicht das Risiko eingehen, dass das getestete Medikament das Ungeborene schädigen könnte. Trotzdem gibt es mittlerweile in der Fachliteratur Dosierungsempfehlungen für Frauen. Allgemein hilft bei Depressionen die Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten am besten, gerade auf lange Sicht.</p> <p style=""><strong>Was muss man speziell bei der Therapie von Männern beachten?</strong></p> <p style="">Man muss bei ihnen viel früher einsteigen; ihnen erst mal erklären, dass sie eine Depression oder Angsterkrankung haben, dass diese biologische Ursachen haben, aber auch eine Folge ihrer Lebensführung, sein kann. Frauen wissen das alles schon. Wir sehen allerdings in letzter Zeit auch zunehmend Frauen, die sich keine rechte Zeit für eine Psychotherapie nehmen möchten, weil sie zurück in den Job oder in die Familie wollen. Alles muss heute schnell gehen.</p> <p style=""><strong>Kann man als Angehöriger jemand von einer Therapie überzeugen?</strong></p> <p style="">Das ist wirklich schwierig und auch für uns Psychiater ein Riesenthema. Wenn eine Person partout nicht will, können Sie nichts machen. Angehörige müssen dann vor allem gut auf sich selbst aufpassen, damit Sie nicht selbst zum Therapeuten werden. Häufig opfern sie sich auf und werden am Ende selbst krank. Besser ist es, konkret zu sagen: „Du musst Hilfe suchen, aber ich kann diese Hilfe nicht sein“.</p> <p style=""><strong>Lassen Sie uns noch über Hormone sprechen. Beeinflussen Sie unsere Gefühle wirklich so stark wie es immer heißt?</strong></p> <p style="">Die weiblichen Geschlechtshormone regeln viele Emotionen und sind für das Gehirn sehr relevant. Von den Eierstöcken wandert ein wichtiges Hormon, das Progesteron, ins Gehirn, wird dort verändert und übernimmt entscheidende Funktionen in Bezug auf Ausgeglichenheit, Angst, Unruhe und die Neigung zu Depressionen. Auch die Libido und der Schlaf werden darüber geregelt. Die Nachtruhe wird ebenfalls vom zweiten weiblichen Hormon, dem Östrogen beeinflusst, das direkt an Botenstoffe im Gehirn andockt. Es wirkt sich zudem auf unsere emotionale Stabilität und das Gedächtnis aus. Aber auch das männliche Testosteron, das auch bei Frauen eine wichtige Rolle spielt, beeinflusst unser Gehirn. Es macht uns neugierig, selbstbewusst und sorgt dafür, dass wir Dinge aktiv angehen.</p> <p style=""><strong>Da wundert es eigentlich nicht, dass es in der Pubertät oder in den Wechseljahren im Kopf drunter und drüber geht ...</strong></p> <p style="">Ja, das ist kein Zufall. Uns geht es men tal gut, wenn die Hormone in Balance sind. Wenn sie schwanken, kommt der Hirnstoffwechsel durcheinander. Vor der Menopause fährt der weibliche Hormonhaushalt Achterbahn, weshalb in der Phase oft starke Stimmungsschwankungen auftreten. Nach den Wechseljahren kann dann das Testosteron im weiblichen Körper überhandnehmen. Die Frauen können gereizter oder impulsiver sein und verstehen sich oft selbst nicht mehr. Schwankungen treten aber auch im ganz normalen Monatszyklus auf, sodass Frauen an den Tagen vor der Regel PMDS-Beschwerden haben. Bei der Prämenstruellen Dysphorischen Störung reagieren die Frauen stark negativ auf Hormonschwankungen. Sie ist eine Sonderform des Prämenstruellen Syndroms und als Krankheit anerkannt. Kurz vor und noch ein paar Tage in die Periode hinein, kann auch Migräne auftreten. Dafür ist der Östrogenabfall am Ende des Zyklus verantwortlich. Bleiben diese monatlichen Schwankungen in der Schwangerschaft und lange nach der Menopause aus, wird oft auch die Migräne besser.</p> <p style=""><strong>In welchen Zeiträumen schwanken die Hormone besonders?</strong></p> <p style="">Jeden Monat nach dem Eisprung, also zwei Wochen vor der Menstruation. Aber während der Schwangerschaft, der Stillzeit, in den Wechseljahren, nach gynäkologischen Krebsoperationen oder nach einer Gebärmutterentfernung kann sich ein hormonelles Ungleichgewicht entwickeln.</p> <p style=""><strong>Eine Gebärmutterentfernung wirkt sich auch auf das Gehirn aus?</strong></p> <p style="">Natürlich, auch wenn das oft nicht einmal den Gynäkologen bewusst ist. Oft wird angenommen, dass alles paletti sei, solange die hormonproduzierenden Eierstöcke vorhanden sind. Aber Gehirn, Gebärmutter und Eierstöcke stehen in einem regen Austausch. Ohne Gebärmutter stellen die Eierstöcke früher ihre Funktion ein und die Frau kommt eher in die Wechseljahre.</p> <p style=""><strong>Was hilft, wenn einem die Hormone die Laune verhageln?</strong></p> <p style="">Frauen sollten sich als Erstes bewusst sein, dass sich die Hormone enorm auf die Psyche auswirken können und in hormonell unausgeglichenen Zeiten piano machen. Sie sollten dann am besten auch keine weitreichenden Entscheidungen treffen, die in einem emotional ausgeglichenen Zustand möglicherweise anders ausgefallen wären. Ich stelle immer wieder fest, dass viele Frauen immer noch zu wenig über ihre Hormone wissen und ihre Biologie ignorieren.</p> <p style=""><strong>Woran liegt das?</strong></p> <p style="">Die Themen Menstruation und Wechseljahre sind in unserer Gesellschaft immer noch stigmatisiert. Frauen sollen – und wollen oft auch selbst – einfach funktionieren. Dass es auch anders geht, zeigen uns Länder wie Großbritannien, wo Arbeitgeber auf die Wechseljahresbeschwerden ihrer Angestellten laut Gesetz Rücksicht nehmen müssen.</p> <p style=""><strong>Können Hormonpräparate das psychische Wohlbefinden verbessern?</strong></p> <p style="">In den Wechseljahren ist die Hormonsubstitution bei erstmals aufgetretenen Depressionen oder Ängsten laut Leitlinie das Mittel der Wahl. Es gibt inzwischen sehr gute Studien, die zeigen, dass moderne Hormonersatztherapien bei gesunden Frauen nicht mehr das Krebsrisiko erhöht. Wir verwenden heute bioidentische, pflanzliche Hormone und nicht mehr die Schweine- und Pferdehormone aus den 80ern. Dennoch muss eine individuelle Entscheidung getroffen werden, nicht alles ist für alle Frauen gleich gut. Prämenstruell und im Wochenbett hilft den Frauen meist Progesteron, wenn das Auf und Ab der Schwangerschaftshormone zu große Gefühlsschwankungen, Angst und Unruhe auftreten.</p> <p style=""><strong>Was kann jede von uns selbst für eine bessere Hormonbalance tun?</strong></p> <p style="">Das ist jetzt vielleicht eine Binsenweisheit, aber regelmäßig Sport und eine gesunde, basische Ernährung stabilisieren den Hormonhaushalt. Am besten lässt man die unguten Kohlenhydrate aus Zucker und Weißmehl weg. Auch Soja und Bier sollten Frauen gerade am Anfang der Wechseljahre und in der zweiten Zyklushälfte meiden, weil beides Östrogene enthält. Rotes Fleisch ist dagegen ein Progesteronfresser, weshalb es auch nicht zu oft auf den Speiseplan sollte. Dazu ist viel trinken wichtig. Wenn der Körper genug Flüssigkeit bekommt, schwemmt er eingelagertes Wasser aus. Dazu sollte man Stress reduzieren: Wenn Frauen viel Stress haben, frisst das dafür verantwortliche Hormonsystem vor allem Progesteron auf. Zwei, dreimal wöchentlich, strammen Schrittes durch den Wald spazieren, entspannt wirklich ausgezeichnet. Man muss dafür keinen zehn Kilometer langen Ausdauerlauf machen.</p> <p style=""><strong>Was ist denn der wichtigste Tipp für Männer und Frauen, um mental gesund bleiben?</strong></p> <p style="">Die Menschen müssen lernen, mehr in sich reinzuhören, und sie sollten sich weniger davon abhängig machen, was andere über sie denken und sagen. Wer achtsamer mit seinen Gefühlen umgeht, kann selbst seine Grenzen definieren und für diese auch einstehen. Viel zu oft schreiben uns andere unsere Grenzen vor, das macht auf Dauer unglücklich.</p>